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Es grünt so grün

Es grünt so grün

Titel: Es grünt so grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ward Moore
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anzuwenden. „Was soll schon sein, wenn sie noch nicht perfekt ist? Welchen Schaden kann sie anrichten? Vielleicht ist sie schon weit genug entwickelt, um das Gras aufzuhalten, auch wenn sie es nicht vernichtet.“
    Sie richtete ihren Zahnstocher gegen ihre Brust. „Ist es nicht schrecklich, in einer Welt intellektueller Säuglinge zu leben? Wie kann ich erklären, was hier vorgeht? Ich habe eine Basisverbindung im gleichen Sinne … im gleichen Sinne, sagen wir mal, wie ich weiß, daß Jod ein Gift ist. Ja, so geht es. Wenn ich einen Menschen töten will – irgendeinen Millionär – und ihm zuwenig verabreiche, wird es nicht nur nicht als Gift wirken, sondern sogar ausgesprochen positiv. Die Analogie ist schrecklich vereinfacht – vielleicht verstehen Sie sie.“
    In Kenntnis der sich rasch verschlechternden Situation war ich äußerst unzufrieden. Das Gras war auf der Iberischen Halbinsel, in der Provence, in Burgund, Lothringen, der Champagne und Holland. Die Menschen wurden nervös und ließen sich durch das hinhaltende Versprechen, Miss Francis’ Bemühungen würden zum Erfolg führen, nicht mehr beruhigen. Die BBC nannte einen Termin für den ersten Angriff auf das Gras, widersprach sich dann selbst und erklärte, vernünftige Menschen würden begreifen, daß solche Dinge nicht auf Stunden oder Minuten genau festgelegt werden könnten. In Clydeside und Südwales kam es zu Aufständen, und ich fürchtete angesichts des schrecklichen Mangels an Lebensmitteln, daß meine Warenhäuser geplündert würden.
    Nicht nur die momentane Situation war schlimm, sondern auch die langfristige. Die Ölreserven im Vereinigten Königreich waren praktisch erschöpft. Das gleiche galt für die nicht im eigenen Land geförderten Metalle. Wichtige Maschinen brauchten dringend Ersatzteile. Wenn Miss Francis soweit wäre, in Aktion zu treten, würde der Druck auf unsere veraltete Technologie und das hungergeschwächte Menschenmaterial verheerend sein.
    Die allgemeine Stimmung wurde durch den Klerus, der sich von Berufs wegen am kommenden Untergang weidete, nicht gerade gehoben; das galt auch für die Spekulationen der Wissenschaftler, die jetzt eine Welt der Insekten und Wasserlebewesen voraussagten. Der Mensch, sagten sie, könnte sich an das Gras nicht anpassen – dies war bis zum Extrem durch die Tragödie der russischen Armeen im letzten Krieg bewiesen worden –, aber Insekten und Fische brauchten das gar nicht, und die Vögel, vor allem jene, die über der Schneegrenze nisteten, wären möglicherweise in der Lage dazu. Unzweifelhaft könnten diese Gattungen mit der Zeit ein Lebewesen hervorbringen, das dem Homo sapiens gleichkäme oder ihm sogar überlegen sei, und der Fortschritt werde nach einer Pause von wenigen Millionen Jahren weitergehen können.
    Die Kombination dieser oberflächlichen, abstrakten Spekulationen mit ihrer Unfähigkeit, etwas Greifbares hervorzubringen, das uns in dieser Krise half, erzürnte mich zuerst und deprimierte mich dann zutiefst. Ich konnte die ganze Ansammlung – Wissenschaftler, Politiker, normale Menschen – nur als völlig inkompetent einschätzen. Ich erinnerte mich daran, wie ich mich gewissenhaft, fleißig, vorausplanend und phantasiereich bemüht hatte, meine jetzige Position zu erreichen, und dachte daran, daß nur ein Bruchteil dieser Mühen das Gras über Nacht aufhalten könnte, wenn diese Leute ihn investierten.
    In diesem Zusammenhang beschäftigten sich meine Gedanken immer mehr mit der Idee, die ich während meiner Krankheit geäußert hatte. Eine Geschichte des Grases zu schreiben, ließe mich zumindest dem täglichen Ärger entkommen, der dadurch entstand, daß ich mit Stümpern und Pfuschern zu tun hatte. Da ich nicht zu der Sorte von Menschen gehörte, die etwas anfangen, ohne es zu Ende zu bringen, hielt ich es für ratsam, ein Tagebuch zu führen; einmal, um mich für das größere Werk in Stimmung zu bringen, und dann, um einen Tag-für-Tag-Bericht über bedeutende Ereignisse zu haben, wie sie jemand sieht, der auf einzigartige Weise mit dem Gras verbunden ist.
     
    95.
     
    14. Juli: Mittagessen bei Chequers mit dem PM. Sehr gedrückt. Er meint, Miss F. müßte vielleicht eingebürgert werden. Versicherte dem PM, wir würden nächste Woche einen genaueren Termin bekommen. Persönlich stimmte ich zu, daß ihre Saumseligkeit unverzeihlich sei. Werde morgen mit F. reden müssen.
    Um 5 Uhr zu Hause. Gärtner schlampig, überall Anzeichen von Vernachlässigung. Habe S.

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