Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman
Bank zurückgewiesen wurde.
Ich beachtete das alles gar nicht, weil ich meine Kräfte darauf konzentrierte, wenigstens noch einen größeren Auftrag an Land zu ziehen: das Artwork für Coles neue CD . Bei einem flüchtigen Blick auf das Konto sah auch alles noch ganz gut aus. In Wirklichkeit ist es seit zwei Monaten ungedeckt, sodass es mich nicht wundern würde, wenn man uns morgen den Strom abstellte. Keine einzige Rechnung wurde in der ganzen Zeit bezahlt. Und wenn ich nicht endlich wieder funktioniere, ändert sich daran auch nichts.
Das Fernsehprogramm drückt meine Laune endgültig in den Keller. Ich verbringe den Abend in einer bedrückten, fast schon depressiven Stimmung. Das ist oft so, wenn ich glaube, dass die Welt aus dem besteht, was das Fernsehen für sie ausgibt. Eine Zeit lang schlafe ich dabei sogar ein. Irgendwann ist es dann endlich spät genug, um das Haus zu verlassen.
Die Hamster Bar. Der Legende nach haust hier in einem dunklen Verlies im Keller der faulste Nager der Welt. Er wird von den Betreibern dieser Institution verehrt und bewundert sowie ausreichend mit Futter und Wärme versorgt. Zum Dank dafür bewegt er sich kaum, und das ist auch gut so, denn – so die Legende weiter – die Bar müsste auf der Stelle für immer geschlossen werden, würde der faulste Hamster der Welt jemals auf die Idee kommen, das in seinen Käfig montierte Laufrad zu besteigen. Man kann ihn auf einem winzig kleinen Monitor beobachten, der am Tresen aufgestellt ist. Die Hamster Bar befindet sich in einem allein stehenden Haus am Hafenrand, in dem ab und zu auch kleine Konzerte oder Lesungen stattfinden. Meistens jedoch kurbelt bloß ein DJ den Getränkeverkauf an.
Die flaue Phase des Abends, in der nur ein paar Stammgäste und die Belegschaft einem einsamen Plattenaufleger zugehört haben, geht gerade in die heißen drei Stunden über. Der dünne, schüchterne Anfänger- DJ wird von einem rustikalen Typ mit Vollbart abgelöst, der hier jeden Dienstag auflegt und gerade sein ganz und gar unanarchistisches Platzhirschrecht behauptet. Das muss Willi sein. Die Tanzfläche füllt sich zusehends, und der schmächtige Typ, der vorhin noch als Kurier bei uns im Büro war, trollt sich.
Die Situation ist so ähnlich wie auf dem Schulhof. Jeder kennt beinahe jeden. Es ist ein Ort der Kommunikation ohne verordnete Strukturen und Regeln. Was allerdings nicht heißt, dass es keine gibt. Vieles deutet darauf hin, dass sich Hierarchien herausgebildet haben. Körpersprache, Blicke, die Selbstverständlichkeit des Auftretens einiger und das Akzeptieren desselben von anderen. Gesprächslautstärke, Aufmerksamkeit usw. – die ganze Palette sozialer Hackordnung aus dem Tierreich.
Cole und sein Manager Frank sind da, ein paar Journalisten, Künstler und Leute aus der Kulturszene. Einige stehen im Mittelpunkt, andere wollen gern näher an diesen heran. Es ist viel Testosteron in der Luft. Aber auch die Frauen haben ihren Platz und ihren Anspruch. Alle stehen in kleinen Gruppen herum. Zu zweit, zu dritt, höchstens zu fünf. Manchmal gibt es ein Thema des Abends. Man könnte von Gruppe zu Gruppe gehen und würde herausfinden, dass über denselben Film oder dasselbe Konzert gesprochen wird. Als wäre das hier eine Kleinstadt und es würde ohnehin nicht viel passieren. Wichtig ist, wer wen grüßt und mit wie viel Begleitbrimborium diese Begrüßung verbunden ist.
Ich bin nicht wichtig genug, um ein allgemeines Aufblicken auszulösen. Ohnehin angeschlagen und geschwächt, ducke ich mich unter den meisten Begrüßungsritualen hindurch und rette mich auf einen Barhocker am Tresen.
Manche der Wege sehen aus wie Schneisen, die ein riesiger Ball in den Wald geschlagen hat, wie Spuren einer Murmel, die einen sandigen Hügel hinunter gerollt ist. Andere wirken wie Pfade von wilden Tieren, die durch andere Tiere verbreitert worden sind. An einigen Stellen ist einfach nur kein Wald. Dort, wo keine Pflanzen sind, gegen die man sich wehren, keine Gräben, über die man klettern muss, kann man einfach über Wiesen laufen. Auf den Wiesen wachsen Blumen, und es riecht anders.
Der schmächtige Anfänger- DJ drückt sich auffällig nah bei der am lebhaftesten diskutierenden Gruppe herum, in deren Mittelpunkt Cole steht. Der Star der Hamburger Musikszene ist weiterhin gut im Geschäft, vielleicht weil die sinkenden Einnahmen die Entscheider in der Musikindustrie immer konservativer machen. Die Zukunft fürs nächste Quartal liegt bei den Kunden,
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