Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman
die schon ein bisschen älter sind und noch CD s kaufen. In längeren Zeiträumen zu denken lohnt sich nicht, dafür sind die Jobs zu unsicher. Wer weiß schon, ob er im nächsten Jahr noch ein Teil dieser Industrie ist oder bereits ganz woanders? Gut eingeführte Musiker wie Cole scheinen zur Zeit davon zu profitieren.
Ich hätte mir sein Album eigentlich lieber erst mal angehört, bevor ich die Zusage gab, das Cover zu gestalten, aber wir waren zu dem Zeitpunkt viel zu klamm, um einen Auftrag dieses Umfangs ablehnen zu können. Ich habe folglich nur ein bisschen so getan, als würde ich zögern, um nicht allzu gierig zu erscheinen. Ich hätte ihm noch eine Reihe Fragen stellen können, um ihm das Gefühl zu geben, dass er der Boss ist und ich mich für ihn interessiere, aber das fruchtet bei Cole nicht. Er ist jemand, der diese Technik selbst anwendet, um in einer Situation den Ton anzugeben. Und noch etwas beherrscht er sehr gut: Er versteht es, einen Eindruck zu erzeugen. In mir jedenfalls hat er den Eindruck erweckt, dass wir seinen Auftrag auf jeden Fall in der Tasche hätten.
Allerdings ist Frank, sein Manager, bis heute nicht mit einem Vertrag rübergekommen. Theoretisch können sie das Ganze immer noch abblasen.
Ich weiß nicht, was ich tun soll, und langweile mich am Tresen. Die ersten drei entfernten Bekannten, zwei männliche und eine weibliche, wollen mich in ein Gespräch über Gentrifizierung verwickeln, dem ich mich nur mühsam entziehen kann. Ich schaue mir eine Weile den Hamster an, der von einigen »Hams« genannt wird, obwohl seine Besitzer darauf bestehen, dass er keinen Namen hat. Sogar einige der Barleute, die jeden Tag als erste Amtshandlung einen DVD -Player anstellen, auf dem »Hamster« steht, glauben noch, dass es ihn wirklich gibt.
»Hallo.«
»Hey.«
Neben mir steht eine junge Frau, schlicht, aber modisch gekleidet, wie fast alle hier. Enge Jeans, eine Art Männerhemd, einige wenige Accessoires, die ihr Outfit vom Alltäglichen unterscheiden. Sie lächelt mich an. Ihr Gesicht sagt mir etwas, aber ich weiß nicht genau was. Ja, ich kenne sie. Doch woher? Sie gehört irgendwie nicht hierher.
»Ursula«, hilft sie mir auf die Sprünge, nachdem ich sie wohl etwas zu lange ratlos angestarrt habe.
»Hallo Ursula.« Ich sage das zweimal. Einmal in einem neutralen Ton und dann noch einmal freudig überrascht, beinahe enthusiastisch, obwohl der Klang ihres Namens nicht nur gute Gefühle in mir auslöst. »Was machst du in Hamburg?«
Diese Frage löst ihre Zunge. Langsam wird das Bild wieder klarer. Ihre Stimme macht es aus. Die Art, wie sie redet, die Satzmelodie.
Und wie ich sie so singen höre, kehrt die Erinnerung zurück. Ich sehe mich während des Konzerts der Surrealos, einer jungen Band aus Schweden, die ich über die Arbeit kennen gelernt hatte, in Hildesheim wieder am Stand mit den T-Shirts stehen. Er ist so aufgebaut, dass man auf dem Weg zur Garderobe und zum Ausgang daran vorbei muss. Die strategisch günstige Lage soll die Verkäufe der Produkte ankurbeln, verhindert aber, dass ich heute Abend das Konzert erleben kann. Am siebten oder achten Abend der Tour macht mir das allerdings kaum noch etwas aus.
Der Ablauf der Ereignisse vor, hinter und auf der Bühne unterscheidet sich von Tag zu Tag kaum. Lediglich die Ansprechpartner, das Publikum und die Kulissen ändern sich mit den Konzertorten. Aber auch das fällt kaum noch auf, sobald das Licht ausgeht. Wenn die Bühnenshow anfängt, ist der erste Teil des Abends für mich erledigt. Für die nächsten eineinhalb Stunden stehe ich eigentlich nur noch am T-Shirt-Stand, damit während der Show niemand was klaut. Manchmal baue ich sogar fast alles ab und gehe erst mal etwas essen.
Ich halte einen Sekt auf Eis in der Hand und blicke um die Ecke, um zu sehen, wie weit die Show vorangeschritten ist. Als ich wieder zum Stand zurückkomme, um mir aus der unter dem Tisch stehenden Flasche nachzuschenken, steht sie da und wühlt in dem Stapel CD s herum.
»Kann ich helfen?«, werde ich gefragt haben. Genaues weiß ich nicht mehr, nur dass ich plötzlich noch ein zweites Glas in der Hand halte.
»Und, wie ist das Leben so?«, fragt sie im Hier und Jetzt.
Ich weiß nicht, warum ich auf einmal über diese Frage stolpere, die normalerweise nicht mehr zu bedeuten hat als: »Erzähl doch mal!« Sie fühlt sich an wie ein Päckchen mit unerfreulichem Inhalt, das irgendwo in der Wohnung verstaubt und an das man eigentlich nicht denken
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