Es ist ja so einfach
zeugen. Und den brauchte er wahrhaftig, nicht nur jetzt, sondern noch für Jahre.
»Es klingt alles ganz verrückt«, fuhr ich fort, »aber Sie müssen an eine andere Mrs. Macleod geschrieben haben, eine sehr nette Dame, die Gast in unserem Camp war. Iris Macleod. Trina wohnte bei uns, und als neulich, nachdem Iris abgereist war, ein Brief für sie kam, hat Trina den versehentlich geöffnet. Ich schickte ihn nach und versuchte sogar, Iris telefonisch zu erreichen, was mir jedoch nicht gelang.«
»Wie kommt es aber, daß Sie ausgerechnet heute hier sind, und zu der vereinbarten Zeit?« fragte West, während Angus einen gurgelnden Kehllaut von sich gab, der mich schrecklich an Venedigs Knurren erinnerte. Offenbar hielten beide eine Aufklärung über diesen Punkt für nötig, und das mit vollem Recht.
»Reiner Zufall«, begann ich unsicher. »In der Stadt gab’s heute eine Auktion von Campingausrüstungen, wo wir ein paar Sachen kauften. Und dann kamen wir eben hierher, zum Mittagessen.«
Äußerst fadenscheinig mußte diese Ausrede klingen. Ich war überzeugt, daß beide kein Wort davon glaubten. War es nicht besser, die Wahrheit zu sagen, ohne Trina zu sehr ins Unrecht zu setzen? Ja. Lebhaft sagte ich zu Leonard West: »Um der Wahrheit die Ehre zu geben, wir wollten Sie gern einmal sehen. Das ist furchtbar frech, ich weiß, doch wir haben Iris gern, und da dachten wir, es wäre ganz gut, wenn wir Sie ein bißchen beurteilen könnten und sehen könnten, ob Iris wohl käme.« Da — genau in diesem Augenblick erschien Iris auf der Bildfläche!
Höchst reizvoll, in einem Kleid von genau derselben Farbe wie Trinas, betrat sie den Teeraum. Es war sicher die Farbe, die sie West beschrieben hatte. Sofort entdeckte sie uns und kam überschwenglich vergnügt an unseren Tisch. »Oh, ihr Lieben, wie wundervoll! Helen! Und Trina auch? Und was macht ihr hier in diesem ulkigen Lokal?«
Als ob sie sich das nicht denken konnte! Und kein Wort über den Zweck ihres eigenen Erscheinens.
Ich blickte Leonard West an, der völlig versteinert zu sein schien. Er stierte mit noch halboffenem Mund die zweite Macleod an. Dann erhellte sich langsam, als sei er unendlich erleichtert, sein Gesicht, und er klappte den Mund so energisch zu, als habe er einen unabänderlichen Entschluß gefaßt. Ich sagte: »Iris, so ein Glück! Wir kamen her, um Sachen für unser Camp zu kaufen. Kommen Sie bitte an unseren Tisch. Oh — übrigens, dies ist Mr. West und hier Doktor Macleod.«
Weder West noch Iris zuckten mit den Wimpern, deshalb sagte ich weiter nichts. Da ich mich wirklich nicht dazu aufgelegt fühlte, ihnen zu erklären, daß bei uns Trinas >toter< Ehemann saß, begann ich zu schnell und zuviel zu reden. Belangloses Zeug. Irgendwie überstanden wir das Essen, eine der anstrengendsten Mahlzeiten in meinem Leben. Wie hatte ich mich auf dieses Essen gefreut! Und es war ein recht teures Mahl, aber ich mußte mich gewaltig zusammennehmen, um überhaupt ein paar Happen hinabzuzwingen.
Angus hielt Messer und Gabel so, als wolle er barbarische Absichten unterdrücken, und aß sehr wenig. Unschwer war zu erkennen, daß ihn nur der eine Gedanke beschäftigte — rasch zu verschwinden, und zwar mit Trina. Er starrte finster auf ihren Teller, und Trina sagte mir später, daß es ihr, trotz ihres großen Hungers vor seinem Erscheinen, unmöglich gewesen sei, richtig zu essen, als diese Augen sie so fixierten und jeden Bissen zählten.
Endlich war es vorbei. Angus schob seinen Stuhl zurück und zwang uns geradezu hypnotisch, das auch zu tun. Er besaß noch genug sachliche Ruhe, unsere Bons an sich zu nehmen, um zu bezahlen, und ich hinderte ihn daran nicht, denn schließlich hatte er uns die Essensfreude verpatzt. Dann packte er Trina derb beim Arm, als hätte sie die Absicht, ihm wegzulaufen, und schritt, nachdem er West und Iris flüchtig zugenickt hatte, steif hinaus. Ich folgte ihnen, sehr wohl merkend, daß alle Blicke fasziniert an uns hafteten, und kam mir äußerst töricht vor. Eine weiche Regung veranlaßte mich sogar, zurückzublicken, ob das noch am Tisch sitzende Paar mich auffordern würde, bei ihnen zu bleiben, doch sie hatten die Köpfe dicht zusammen und schienen meine Existenz schon vollkommen vergessen zu haben.
Als wir auf der Straße waren, wurde Angus sehr gebieterisch. Er sagte bloß: »Da ist mein Wagen. Wir fahren an einen Ort, wo wir ruhig miteinander sprechen können.«
»Ohne mich«, entgegnete ich energisch. »Machen Sie
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