Es ist nicht alles Gold was glänzt
mehr als an irgendeiner, die Amerika ihm hätte bieten können. Warum er so empfand, konnte Harvey sich nie erklären. Vielleicht war es die ganz besondere Atmosphäre von Ascot, die ihn so stark anzog: die Kombination von üppigem grünem Gras mit einer anmutigen Umgebung, die Eleganz der Menge, gepaart mit straffer Organisation, um die sämtliche Rennplätze der Welt Ascot beneideten.
»Dieses Jahr dürften Sie eine bessere Chance haben als jemals zuvor«, sagte der ältere Bankier.
»Ach, wissen Sie, Sir Howard: Lester Piggot reitet Crown Princess, das Pferd des Herzogs von Devonshire, und das Pferd der Königin, Highclere, gilt ebenfalls als Favorit. Zweimal habe ich jetzt schon nur den dritten Platz erreicht, obwohl mein Pferd Favorit und obendrein nicht placiert war – unter diesen Umständen frage ich mich wirklich, wann eines meiner Pferde es jemals schaffen wird.«
»Noch ein Telegramm, Sir.«
Wieder riß Harveys dicker kleiner Finger den Umschlag auf.
»›Die besten Wünsche und viel Glück für die ›King Georg VI and Queen Elizabeth Stakes‹ – von den Angestellten Ihrer Bank, Sir Howard. Jolly good show!«
Harveys polnisch-amerikanischer Akzent gab diesem typisch englischen Ausdruck einen etwas grotesken Beigeschmack.
»Noch mehr Champagner für alle.«
Wieder kam ein Telegramm.
»Wenn das so weitergeht, Harvey, brauchen Sie ein Sonderbüro beim Postamt.« Alle lachten über Sir Howards lahmen Witz. Harvey las wieder laut vor: »Bedauere Treffen in Ascot unmöglich infolge umgehender Abreise nach Kalifornien. Dankbar, wenn Sie nach Professor Rodney Porter, Oxford, Nobelpreisträger, Ausschau hielten. Lassen Sie sich nicht von englischen Buchmachern ausnehmen. Wiley B., Hathrow Airport.‹ Von Wiley Barker! Das ist der Bursche, der mir in Monte Carlo einen Gallenstein von der Größe des Brötchens, das Sie da essen, herausgenommen hat, Dr. Hogan. Er hat mein Leben gerettet. Aber wie zum Teufel soll ich jetzt diesen Professor Porter finden!« Harvey wandte sich an den Oberkellner. »Schicken Sie meinen Chauffeur her.«
Ein paar Sekunden später erschien der Mietchauffeur in seiner schmucken Livrée.
»Ein Professor Rodney Porter aus Oxford soll heute hier sein. Gehen Sie ihn suchen!«
»Wie sieht er aus, Sir?«
»Herrgott noch mal, woher soll ich denn das wissen!« schnaubte Harvey. »Wie ein Professor natürlich.«
Dem Chauffeur blieb zu seinem Leidwesen nichts anderes übrig, als seinen Plan, den Nachmittag als Zaungast beim Rennen zu verbringen, aufzugeben und sich auf die Suche zu machen.
Harveys Gäste genossen die Erdbeeren, den Champagner und die nicht abreißen wollende Kette der ankommenden Telegramme.
»Sie wissen, daß Ihnen, wenn Sie gewinnen, der Pokal von der Königin überreicht werden wird«, sagte Nick Lloyd.
»Und ob ich das weiß! Die King George and Elizabeth Stakes zu gewinnen und Ihrer Majestät, der Königin, vorgestellt zu werden, wird die Krönung meines Lebens sein. Wenn Rosalie siegt, werde ich den Vorschlag machen, daß meine Tochter Prinz Charles heiratet – sie sind ungefähr gleich alt.«
»Ich fürchte, Harvey, nicht einmal Sie werden imstande sein, das durchzusetzen.«
»Was gedenken Sie mit dem Preis von ungefähr 81.000 Pfund anzufangen, Mr. Metcalfe?« fragte Jamie Clark.
»Das Geld irgendeiner Wohltätigkeitsorganisation vermachen«, erwiderte Harvey, befriedigt über den Eindruck, den diese Bemerkung auf seine Gäste machte.
»Sehr großzügig, Harvey. Ganz Ihrem Ruf entsprechend.«
Nick Lloyd warf Michael Hogan einen vielsagenden Blick zu. Selbst wenn es die anderen nicht wissen sollten – sie beide wußten, was Harveys Ruf entsprach.
Der Chauffeur kam zurück und berichtete, daß von einem einsamen Professor nirgends eine Spur zu sehen war – weder in der Champagner-Bar noch im Balkonrestaurant, noch am Büfett auf dem Sattelplatz – und daß er zur Members' Enclosure keinen Zutritt hatte bekommen können.
»Natürlich nicht«, sagte Harvey wichtigtuerisch. »Ich werde ihn eben selbst suchen müssen. Trinkt aus und amüsiert euch.«
Er stand auf und ging mit dem Chauffeur zur Tür. Als er außer Hörweite seiner Gäste war, fauchte er: »Jetzt machen Sie aber schleunigst, daß Sie hier verschwinden, und kommen Sie mir ja nicht wieder mit diesem albernen Quatsch, daß Sie ihn nicht finden können!«
Der Chauffeur stürzte fort. Harvey drehte sich zu seinen Gästen um und lächelte.
»Ich werfe mal eben einen Blick auf die
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