Es ist nicht alles Gold was glänzt
zwei Wirtschaftsexperten, ein paar Schiffseigentümern und einem einflußreichen Journalisten der Londoner City.
Harvey hatte es immer gern, wenn seine Gäste bekannt und einflußreich waren, und so pflegte er Leute einzuladen, denen es der Geschäfte wegen, die er ihnen eventuell vermitteln konnte, fast unmöglich war, abzulehnen. Er betrachtete befriedigt die kleine Gesellschaft, die er zur Feier seines großen Tages um sich versammelt hatte. Der Senior war Sir Howard Dodd, der alternde Vorsitzende der Handelsbank, die seinen Namen trug, jedoch nach seinem Urgroßvater benannt war. Sir Howard maß 1,85 Meter und hielt sich so gerade, als hätte er einen Ladestock verschluckt. Seinem Aussehen nach hätte man ihn mehr für einen Gardegrenadier als für einen achtbaren Bankier gehalten. Das einzige, was er mit Harvey gemeinsam hatte, war die Anzahl der Haare bzw. deren Fehlen auf seinem kahl werdenden Kopf. Er befand sich in Begleitung seines jungen Assistenten Jamie Clark. Knapp über dreißig und äußerst helle, war dieser vor allem mitgekommen, um aufzupassen, daß sein Direktor die Bank nicht zu irgend etwas verpflichtete, was er später bereuen könnte. Obgleich Clark eine heimliche Bewunderung für Harvey hegte, teilte er nicht die Ansicht, daß Metcalfe zu der Sorte Kunden gehörte, mit denen die Bank Geschäfte machen sollte. Immerhin war Clark durchaus nicht abgeneigt, einen Tag bei den Pferderennen zu verbringen.
Die beiden Wirtschaftsexperten, Mr. Colin Emson und Dr. Michael Hogan vom Hudson Institute, waren anwesend, um Harvey über den prekären Zustand der britischen Wirtschaft zu berichten. Sie hätten unterschiedlicher nicht sein können. Emson war durch und durch ein Self-made-man, der mit fünfzehn die Schule verlassen und sich selbst weitergebildet hatte. Durch seine Kontaktfreudigkeit war es ihm gelungen, ein Unternehmen aufzubauen, das auf Steuerfragen spezialisiert war und das dank der Tatsache, daß die britische Regierung alle paar Wochen ein neues Steuergesetz erließ, äußerst gute Erfolge erzielen konnte. Emson war 1,80 Meter groß, kräftig gebaut und jovial, ein prächtiger Kumpel, der die Party bei Laune hielt, ganz gleich, ob Harvey verlieren oder gewinnen würde. Hogan dagegen hatte alle ›richtigen‹ Schulen besucht – Winchester, das Trinity College in Oxford und die Wharton Business School in Pennsylvania. Eine vorübergehende Mitarbeit bei McKinsey, der Londoner Unternehmensberatungsfirma, hatte ihn zu einem der am besten informierten Wirtschaftsexperten Europas gemacht. Wer seinen schlanken, sehnigen Körper betrachtete, war nicht überrascht, wenn er erfuhr, daß Hogan ein Squash-Spieler von internationalem Rang gewesen war. Dunkelhaarig, mit braunen Augen, die Harvey fast unablässig beobachteten, fiel es ihm schwer, seine Verachtung zu verbergen. Aber dies war bereits das fünfte Mal, daß Harvey ihn nach Ascot eingeladen hatte – und ein Nein schien dieser dickfellige Amerikaner offenbar einfach nicht als endgültige Ablehnung zu akzeptieren.
Die Brüder Kundas – Griechen in der zweiten Generation und auf Pferderennen fast ebenso versessen wie auf Schiffe – konnte man mit ihren schwarzen Haaren, ihrer dunklen Haut und ihren dichten Augenbrauen kaum auseinanderhalten. Ihr Alter ließ sich schwer schätzen, und wie reich sie waren, wußte niemand. Sie wußten es wahrscheinlich selbst nicht. Harveys letzter Gast, Nick Lloyd von den ›News of the World‹, war gekommen, um so viel anrüchige Geschichten wie nur möglich über seinen Gastgeber aufzuschnappen. Mitte der sechziger Jahre hätte er Metcalfe um ein Haar bloßgestellt, aber dann hatte ein anderer Skandal es mehrere Wochen lang verhindert, daß weniger saftige Stories auf die Titelseiten gelangten, und in der Zwischenzeit war Harvey durch das Netz geschlüpft. Lloyd hockte über seinen unvermeidlichen, mit einer kaum wahrnehmbaren Spur Tonic gespritzten dreistöckigen Gin gebeugt und beobachtete die bunt zusammengewürfelte Gesellschaft mit Interesse.
»Telegramm für Sie, Sir.«
»Von meiner Tochter Rosalie. Wie lieb von ihr, daran zu denken – aber verdammt noch mal, ich habe das Pferd ja auch nach ihr genannt.«
Alle nahmen ihre Plätze zum Mittagessen ein – Vichyssoise, Fasan und Erdbeeren. Harvey schien noch redseliger als sonst, aber seine Gäste gingen darüber hinweg; sie wußten ja, daß er nervös war wegen des Rennens, das er schon immer hatte gewinnen wollen. An dieser Trophäe lag ihm
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