Es ist nicht alles Gold was glänzt
eigen.
»… und heute steht neben mir der bekannte amerikanische Besitzer, Harvey Metcalfe«, sprach Julian Wilson in die BBC-Fernseh-Kamera für die Leute daheim an ihren Bildschirmen. »Ich werde ihn bitten, mir seine Ansicht über die King George VI and Queen Elizabeth Stakes mitzuteilen, denn seine Rosalie ist eine der beiden Favoriten. Willkommen in England, Mr. Metcalfe. Was empfinden Sie angesichts des großen Rennens?«
»Es ist sehr aufregend, hier zu sein und wieder an dem Rennen teilzunehmen. Rosalie hat gute Chancen. Immerhin, es ist nicht der Sieg, der zählt: Dabeisein ist alles.«
Stephen zuckte zusammen. Baron de Coubertin, der anläßlich der Olympischen Spiele von 1896 als erster diesen Ausspruch getan hatte, mußte sich im Grab umgedreht haben.
»Die letzten Wettergebnisse zeigen, daß Rosalie und Highclere, das Pferd Ihrer Majestät der Königin, Favoriten sind. Wie denken Sie darüber?«
»Crown Princess, das Pferd des Herzogs von Devonshire, beunruhigt mich nicht weniger. Lester Piggot ist bei einem so bedeutenden Ereignis immer schwer zu schlagen. Er hat die ersten beiden Rennen gewonnen und wird alles daransetzen, auch dieses zu gewinnen – und Crown Princess ist ein ausgezeichnetes Pferdchen.«
»Sind anderthalb Meilen eine günstige Strecke für Rosalie?«
»Die Ergebnisse dieser Saison beweisen, daß es absolut ihre beste ist.«
»Was würden Sie mit dem Gewinn von 81.240 Pfund anfangen?«
»Das Geld ist Nebensache – ich habe mir noch nicht einmal Gedanken darüber gemacht.«
Stephen hingegen hatte sich sehr wohl Gedanken darüber gemacht.
»Wir danken Ihnen, Mr. Metcalfe, und wünschen Ihnen sehr viel Glück. Und jetzt zu den neuesten Nachrichten über die Wettergebnisse.«
Harvey begab sich zu dem Grüppchen seiner Bewunderer zurück und schlug vor, dem Rennen vom Balkon seiner Loge aus zuzusehen.
Für Stephen war es faszinierend, Harvey so aus der Nähe beobachten zu können. Dieser war nervös und unter der Nervenanspannung noch heuchlerischer geworden als sonst – nichts mehr von dem eiskalten Geschäftemacher, den sie ursprünglich in ihm gefürchtet hatten. Dieser Mann war menschlich, verletzlich und konnte besiegt werden.
Alle lehnten sich übers Geländer, um zu sehen, wie die Pferde in die Startboxen gebracht wurden. Crown Princess machte immer noch etwas Schwierigkeiten, während alle anderen Pferde wartend dastanden. Die Spannung wurde unerträglich.
»Und los!« dröhnte der Lautsprecher.
Fünfundzwanzigtausend Menschen hoben ihre Feldstecher an die Augen, und Harvey sagte: »Ihr Start war gut – sie ist nicht schlecht placiert.«
Er fuhr fort, das Rennen für seine Umgebung pausenlos zu kommentieren – bis zur letzten Meile; da wurde er plötzlich ganz still. Die anderen verharrten ebenfalls schweigend, ganz auf den Lautsprecher konzentriert.
»Sie kommen in die Meilengerade – Minnow führt das Feld in der Kurve – mit Buoy und Dankaro, mühelos dicht hinter ihm – gefolgt von Crown Princess, Rosalie und Highclere … Nähern sich der Sechs-Achtelmeilen-Markierung – Rosalie und Crown Princess an der Tribünenseite holen auf, Highclere legt sich ins Zeug …
Noch fünf Achtelmeilen – Minnow gibt immer noch das Tempo an, zeigt aber Ermüdungserscheinungen, während Crown Princess und Buoy an Boden gewinnen …
Noch eine halbe Meile – Minnow noch immer knapp vor Buoy, die jetzt, vielleicht etwas verfrüht, auf den zweiten Platz vorgerückt ist …
Drei Achtelmeilen vom Ziel – das Feld wird eine Idee schneller – Minnow, am Zaun, gibt das Tempo an – Buoy und Dankaro etwa eine Länge hinter ihm – gefolgt von Rosalie, Crown Princess und der Stute der Königin, Highclere, die alle an Boden gewinnen …
Innerhalb der Zwei-Achtelmeilen-Grenze Highclere und Rosalie fast auf gleicher Höhe mit Buoy – Crown Princess ganz zurückgefallen …
Noch eine Achtelmeile …«
Die Stimme des Kommentators wurde schriller und lauter.
»Joe Mercer auf Highclere in Führung, knapp vor Pat Eddery auf Rosalie – noch 180 Meter – sie liegen Kopf an Kopf – noch 90 Meter – unmöglich, den Sieger auszumachen – am Ziel ein Fotoentscheid zwischen den gold-purpur und scharlachroten Farben Ihrer Majestät der Königin und den schwarzgrün karierten Farben des amerikanischen Besitzers Harvey Metcalfe – Monsieur Moussacs Dankaro wurde dritter.«
Harvey stand da wie gelähmt und wartete auf das Ergebnis. Selbst Stephen
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