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Es ist nicht alles Gold...

Es ist nicht alles Gold...

Titel: Es ist nicht alles Gold... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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fehlte, wenn auch viele völlig zerstört
waren. Vor Edwin, der unversehrt in seinen Eisenschuhen dastand, machte ich
halt.
    »Du kannst von Glück reden, mein
Junge«, sagte ich. »Deine Füße sind am Boden festgenagelt.« Irgendwie erinnerte
die Puppe mich an meine kleinen Brüder bei ihrer Erstkommunion.
    Ich wußte, daß ich eigentlich die
Polizei benachrichtigen müßte, aber dann hätte ich warten und lästige Fragen
über mich ergehen lassen müssen. Außerdem würde der Überwacher sowieso bald
zurückkommen und dann die Sache entdecken. Ich konnte jetzt meine Listen
durchgehen und vielleicht feststellen, was fehlte, aber das konnte die ganze
Nacht dauern, und es war nicht gesagt, ob ich mit Hilfe dieses Objekts in der
Lage sein würde, den Mörder zu identifizieren.
    Es mußte einen kürzeren Weg zu dieser
Information geben, und vielleicht würde ich ihn finden, wenn ich mich an den
Kurs hielt, den ich vor dem Brand für mich abgesteckt hatte. Im Zusammenhang
mit dieser Geschichte war ich immer wieder auf Ben Harmon gestoßen; ich wollte
mich endlich einmal mit dem Mann unterhalten.

14
     
    »Ben Harmon — Kautionen — rund um die
Uhr zu Ihren Diensten ‹.«
    Das Schild hing in der Bryant Street,
in der miesen Gegend um den Justizpalast herum gelegen. Das Haus, in dem sich
Harmons Geschäft befand, war hell erleuchtet, eine Neonoase in der Finsternis.
Ich parkte direkt vor dem Eingang, da ich wenig Lust hatte, mich länger als
unbedingt nötig auf diesen unfreundlichen Straßen aufzuhalten.
    Das Vorzimmer war winzig und mit
schäbigem Plastikmobiliar vollgestopft. Ein schlanker, dunkelhaariger junger
Mann stand neben dem Empfangstisch. Er trug einen schwarzen Anzug aus einem
glänzenden Material und rauchte eine dünne Zigarre. Er musterte mich mit
verächtlich gekräuselten Lippen.
    »Was kann ich für Sie tun?« Er sprach
mit einem starken spanischen Akzent.
    Ich gab ihm meine Karte und fragte, ob
Harmon zu sprechen sei. Er warf einen Blick auf die Karte, zog geringschätzig
eine Braue hoch und ging ohne ein Wort hinaus. Es hätte mich interessiert, ob
er jeden, der hierherkam, so behandelte. Wenn ja, konnte Harmon keine guten
Geschäfte machen. Aber vielleicht rechnete man mit einer solchen Behandlung,
wenn man genötigt war, sich eine Kaution zu kaufen.
    Ich brauchte nicht lange zu warten.
Nach ungefähr zwei Minuten kam Harmon aus einem schmalen Schlauch von Korridor
auf der linken Seite. Er trug wieder so einen modisch geschnittenen Anzug,
diesmal in Blau, und sah so frisch aus wie am frühen Morgen. Obwohl er mir
durchaus freundlich die Hand bot, entging mir die ungeduldige Gereiztheit in
seinen Augen nicht.
    »Miss McCone, was kann ich für Sie
tun?«
    »Ich arbeite in der Sache Albritton mit
der Polizei zusammen«, schwindelte ich, »und wollte Ihnen gern ein paar Fragen
stellen, die sich seit unserer Begegnung gestern abend ergeben haben.«
    »Sie arbeiten aber zu merkwürdigen
Zeiten.« Er sah auf seine Uhr.
    »Sie auch.«
    »In meinem Gewerbe ist das etwas
anderes.«
    »Wie in meinem«, entgegnete ich
lächelnd. »Häufig stehen die Leute, mit denen ich sprechen muß, nur abends zur
Verfügung.«
    Harmon seufzte resigniert. »Gut, gehen
wir nach hinten in mein Büro.« Er wies zum Korridor.
    Ich wollte ihm folgen, zögerte jedoch,
als ich den dunklen jungen Mann aus einer Tür zur Rechten treten sah. Er nickte
und bedeutete mir weiterzugehen. Auf dem Weg durch den Gang sah ich mir die
gerahmten Zeitungsausschnitte an den Wänden an. Harmon war offenbar stolz
darauf, daß die Leute seine unverschämten Preise bezahlten. Wohl nach dem
Motto, daß die Habgier genauso unparteiisch ist wie die Gerechtigkeit.
    Alle drei traten wir in das Zimmer am
Ende des Korridors. Der dunkle Typ schloß die Tür und lehnte sich wie ein
Wachposten neben ihr an die Wand. Durch den Zigarrenrauch hindurch roch ich
sein süßliches Rasierwasser.
    Ich sah Harmon fragend an.
    »An Frankie sollten Sie sich nicht
stören«, sagte er. »Er ist mein Leibwächter. Er begleitet mich überallhin und
tut alles, was ich ihm sage.«
    Ich verstand den Wink mit dem
Zaunpfahl.
    Harmon wies auf einen Ledersessel, und
ich setzte mich.
    »Möchten Sie etwas trinken, Miss
McCone? Ich kann Ihnen heute etwas Besseres anbieten als den billigen Gin, den
es bei Charlie gab.«
    »Ach ja, ich hätte ganz gern einen
Drink.«
    »Bourbon?«
    »Gut. Danke.«
    Harmon ging zu einem kleinen Holzfaß,
das in Schulterhöhe aus der Wand herausragte,

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