Es ist nicht alles Gold...
warnen, Miss McCone«,
sagte Frankie mit angewidert geblähten Nasenflügeln. »Wenn eine junge Person
wie Sie unverschämte Fragen stellt, kann alles mögliche passieren. Das wollen
Sie doch nicht. Comprende ?« Er sah mich an, als wolle er mir gleich ins
Gesicht spucken.
Ich riß mich von ihm los. »Gracias, Frankie. Comprendo.« Ich rannte durch die Tür hinaus zu meinem Wagen.
Mir war nicht gut. Frankies Drohung hatte mich nicht besonders beeindruckt,
aber von der Berührung seines Körpers war mir fast speiübel geworden. Trotzdem
mußte ich hierbleiben und abwarten, was Harmon jetzt tun würde. Ich war
erstaunt, wie sehr das Gespräch mit mir Harmon aus der Fassung gebracht hatte;
da war es durchaus möglich, daß er den Kopf verlor und etwas Verräterisches
tat. Und wenn das geschehen sollte, wollte ich zur Stelle sein.
15
Ich fuhr bis zur nächsten Ecke. Dort
konnte ich sowohl Harmons Geschäftsräume als auch die Ausfahrt aus der
Einbahngasse hinter dem Haus im Auge behalten. Sollte er auf einem dieser Wege
verschwinden wollen, so konnte er mir nicht entkommen.
Ungefähr zehn Minuten später kam Harmon
auf die Straße heraus. Er trug einen Regenmantel. Einen kurzen Moment blieb er
stehen und sah sich um, dann ging er zu einem goldfarbenen Lincoln Continental
am Bordstein und sperrte auf.
Ich verkroch mich tiefer in meinem Sitz
und beobachtete ihn durch den Seitenspiegel. Sobald er an mir vorbeigefahren
war, ließ ich den Motor an und folgte ihm.
Harmon führte mich die Geary Street
hinaus, in Richtung zum Sunset District. Vielleicht fuhr er nach Hause. Es war
leicht, den Lincoln im Auge zu behalten, und der Verkehr war nicht dicht. Ich
blieb ein paar Wagenlängen hinter ihm auf der übernächsten Spur. Weiter ging es
die Geary Street hinaus, am Park Presidio vorbei. Ich wußte jetzt, daß Harmon
nicht nach Hause wollte; dazu hätte er den Park durchqueren müssen.
Auf der Höhe der Forty-third Avenue
gabelte sich die Straße, und der rechte Zweig wurde die Point Lobos Avenue. In
diese Straße bog der Lincoln ein, folgte ihr in Richtung zum Meer. Ich blieb
dran, bremste ab, als der Wagen vor mir in die letzte Straße vor dem großen
Parkplatz mit Blick auf das Meer einbog. Durch den dicken Nebel, der alles
einhüllte, sah ich die Bremslichter des Lincoln, als er am Bordstein anhielt.
Harmon stieg aus dem Auto und ging auf
ein zweistöckiges Gebäude an der Ecke zu. Ich wartete drei Minuten, dann stieg
ich ebenfalls aus und ging den Bürgersteig hinunter. Der Nebel, der mich in
Schwaden umwogte, bot gute Deckung. Ich konnte die Häuser, die die Straße
säumten, kaum erkennen und hatte so ein traumhaftes Gefühl, als würde ich jeden
Moment vor einem Abgrund stehen.
Der moderne Neubau glich zwei hochkant
gestellten Schuhkartons. Zu den Erdgeschoßwohnungen gehörten eingezäunte kleine
Gärtchen, die oberen Wohnungen hatten abgeschlossene Balkons. Alle Fenster
außer einem im obersten Stock waren dunkel.
Dafür waren die Briefkästen am Eingang
erleuchtet. Ich ging hin und sah sie mir an. Es waren sechs, und neben jedem
war ein Klingelknopf. Eine Sprechanlage war auch da. Auf fünf der Briefkästen
standen Namen, die ich nicht kannte; der Name auf dem sechsten jedoch
interessierte mich sehr. Oliver van Osten.
Den Harmon angeblich nur vom Hörensagen
kannte.
Van Ostens Wohnung hatte die Nummer
fünf. Meiner Überlegung zufolge mußte das die Wohnung im oberen Stock sein, wo
Licht brannte. Ich schlich mich wieder davon und ging hinüber zu einem Wäldchen
zwischen der Straße und dem Parkplatz. Von dort konnte ich die Wohnung
unbemerkt beobachten.
Der Nebel verschleierte den Blick auf
das Fenster; es wirkte wie eine erleuchtete Leinwand, auf der kein Film lief.
Ich stand fröstelnd im feuchten Gebüsch und wünschte, ich hätte eine dickere
Jacke an.
Etwa eine Minute verging, dann zeigte
sich am Fenster die Silhouette einer untersetzten Gestalt. Van Osten. War er es
wirklich? Ich hatte diese Gestalt schon einmal gesehen.
Sie verschwand, erschien wieder, ging
hin und her. Eine zweite Gestalt gesellte sich zu ihr, groß, leicht vornübergeneigt.
Ben Harmon hatte etwa diese Größe und diese Haltung. Die Gestalt wedelte in
erregter Gebärde mit den Armen und verschwand wieder. Der untersetzte Schatten
folgte.
»Unglaublich«, flüsterte ich vor mich
hin. Kein Wunder, daß die untersetzte Gestalt mir vertraut schien. Als ich
diese Silhouette das letztemal gesehen hatte, war sie
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