Es ist nicht alles Gold...
die
zweite, die ich mir notiert hatte. Sie erschien auf Seite 231, illustriert mit
einer gramgebeugten Madonna am Fuß des Kreuzes. »Fünfzig ausgewählte Ölgemälde,
spätgotischer Stil.«
Das war eine Riesenmenge religiöser
Gemälde für einen einzigen kleinen Laden; noch dazu für einen Laden, dessen
Umzug bevorgestanden hatte. Ich stellte den Katalog wieder ins Regal, ging
hinaus und öffnete die dritte Tür.
Kahl wie die anderen Räume. Ein
sachlicher Schreibtisch und eine Reihe Aktenschränke. Das war so ziemlich
alles. Ich entdeckte eine Schublade mit dem Schild »Bestellungen — G&B«.
Minuten später hielt ich den Auftrag
für die florentinischen Gemälde in der Hand. Er trug den Stempel »Erhalt durch
Kunden« und dazu das Datum vom Montag. Van Ostens Sekretärin hielt ihre
Unterlagen auf dem laufenden.
Ein zweiter Auftrag, für die
spätgotischen Gemälde, zeigte, daß die Sendung am morgigen Tag eintreffen
sollte. Er trug außerdem den Namen eines Spediteurs. Eine handschriftliche
Notiz besagte, daß die Lieferanweisungen am Dienstag dieser Woche geändert
worden waren. Die Sendung sollte direkt an van Osten Imports gehen und nicht an
Joan Albritton, Antiquitäten. Im Licht meiner Taschenlampe schrieb ich mir die
Informationen ab.
Ich wußte jetzt, wie der Schmuggel bewerkstelligt
worden war, dennoch versäumte ich es nicht, das Büro zu durchsuchen. Ich fand
nichts; van Osten trug wahrscheinlich wie die meisten Geschäftsleute wichtige
Papiere in seiner Aktentasche. Auch der Schreibtisch der Sekretärin war
unergiebig. Am Ende sah ich mir noch den Wandschrank mit dem Büromaterial an.
Der Karton stand auf dem Boden, als
warte er nur auf mich. Auf dem Etikett stand als Absender die Firma Giannini
& Barducci, Rom, als Lieferadresse Joan Albritton, Antiquitäten, San
Francisco, Kalifornien.
Eng gestapelt lagen die kleinen Gemälde
darin. Als ich eines herausnahm, bemerkte ich sofort den Unterschied sowohl im
Gewicht als auch in der Qualität zu dem Bellini. Ich kniete nieder und zählte
die Bilder. Es waren neunundvierzig. Joan mußte eines herausgenommen und Edwin
zum Ansehen aufgehängt haben, so daß der Mörder es übersehen hatte. Diesen
Karton hatte er in der Mordnacht mitgenommen. Und wegen des Bellinis war er
zurückgekommen. Nur um feststellen zu müssen, daß das Bild verschwunden war.
Angst packte mich plötzlich. Ich stand auf und lauschte in die Stille hinein,
die auf einmal so unheimlich wurde. Ich mußte schleunigst hier weg, wenn ich
mich nicht weiter in Panik hineinsteigern wollte.
21
Von einer öffentlichen Telefonzelle aus
rief ich bei der Polizei an. Marcus war nicht im Dienst, hatte aber seine
Privatnummer für mich hinterlassen. Ich rief ihn dort an und sagte, ich wolle
sofort mit ihm sprechen. Er meinte, ich solle zu ihm kommen, und erklärte mir,
wie ich fahren mußte. Zwanzig Minuten später stieg ich vor einem kleinen
rostbraunen Holzhaus, das an einem Hang klebte, aus meinem Auto. Ich ging
hinauf und läutete. Ein Licht flammte auf, Greg Marcus öffnete mir.
Er warf mir nur einen kurzen, forschen
Blick zu, dann bat er mich hinein.
»Nun sagen Sie mir bloß nicht, daß Sie
den Fall schon gelöst haben, Sie cleveres Indianerbaby.«
Ich ärgerte mich über das
»Indianerbaby«, sagte aber nichts.
»Doch, praktisch schon. Ich habe ein
paar zusätzliche Faktoren aufgedeckt, die die Sache etwas komplizieren.«
»Das hat mir gerade noch gefehlt. Ich
kann Sie wohl nicht dazu überreden, brav nach Hause zu gehen und sich um Ihre
Angelegenheiten zu kümmern?«
»Das haben Sie gestern schon versucht.«
»Das war eine Drohung, kein
freundliches Zureden.«
Wir standen in dem großen Vestibül, das
beinahe die Hälfte des Erdgeschosses einzunehmen schien. Die andere Hälfte
gehörte wahrscheinlich der Garage, während die Wohnräume vermutlich im ersten
und zweiten Stock lagen. Eine Wand war mit einem großen Gemälde geschmückt, das
einen weizengelben Hügelhang mit dunkelgrünen Bäumen zeigte.
»Das ist ein schönes Wandgemälde«,
bemerkte ich.
»Ja, das hat eine Freundin gemalt, die
mit dem Kunstverständnis, von der ich Ihnen schon erzählt habe. Sie kopierte
Cézanne nicht schlecht.«
Er ging mir voraus zum Wohnzimmer
hinauf. Nach hinten war der Raum einem üppigen Garten mit Büschen und
Rankgewächsen geöffnet, die in Kaskaden den Hang hinabfielen. Vom hatte man
Blick auf die Lichter der Stadt. Vor dem offenen Kamin, in dem ein Feuer
brannte, standen zwei
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