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Es ist nicht alles Gold...

Es ist nicht alles Gold...

Titel: Es ist nicht alles Gold... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Vergangenheit erzählte, und sie sagte, es spiele
keine Rolle, sie liebe mich trotzdem.«
    Er griff sich an den Hals und zog das
Medaillon unter seinem Overall hervor, ein altmodisches Filigranherz.
    »Sie gab es mir zurück und sagte — niemals
werde ich ihr Gesicht vergessen, als sie es sagte — sie sagte, ›Du bedeutest
mir nichts mehr. Nichts!‹«
    Er konnte nicht weitersprechen und
senkte den Kopf. Ich griff über den Tisch und nahm eine seiner Hände.
    »Als ich später noch einmal
hinüberging«, sagte er mit erstickter Stimme, »als ich noch einmal hinüberging,
um sie um Verzeihung zu bitten, war sie tot.«
    Ich sagte nichts, hielt nur seine Hand.
Es vergingen gewiß fünf Minuten, ehe er den Kopf hob.
    »So, jetzt wissen Sie’s. Ich hatte
Angst, Sie könnten herausbekommen, daß ich drüben war und Streit mit ihr hatte.
Der Lieutenant von der Polizei hatte die Leute auch schon über mich ausgefragt —
ich glaube, der weiß über mich Bescheid-, und ich hatte Angst. Es war mir
wichtiger, meine Haut zu retten, als Joans Mörder zu finden.«
    Ich räusperte mich. Es fiel mir schwer,
etwas zu sagen. »Okay«, sagte ich schließlich. »Okay, Charlie. Aber das tun Sie
ja jetzt nicht mehr, und ich glaube, ich bin ihm schon ein Stück näher
gekommen.«
    Ein Funken Interesse blitzte in seinen
müden Augen auf. »Wirklich?«
    Ich zögerte. Ich wollte ihn nicht zu
allem Überfluß noch mit meiner Vermutung belasten, daß seine tote Geliebte
aller Wahrscheinlichkeit nach unlautere Geschäfte gemacht hatte. Statt ihm zu
antworten, sagte ich schließlich: »Eine Frage möchte ich Ihnen noch stellen,
Charlie, dann gehe ich.«
    »Gut.«
    »Ist es in den letzten Jahren einmal
vorgekommen, daß Joan Geld brauchte, mehr Geld, als sie aus dem Laden
herausbekommen konnte?«
    Er sah mich verständnislos an.
    »Ich kann mich nicht — oder doch,
Moment mal. Natürlich. Der Junge.«
    »Ihr Enkel?«
    »Ganz recht. Christopher. Er war ein
unheimlich begabter Musiker und schon ganz früh in der Juilliard School of
Music aufgenommen worden — so eine Art Förderprogramm für begabte Jugendliche.
Joanie wollte ihm das unbedingt ermöglichen, obwohl es eine Stange Geld kosten
sollte. Sie meinte, sein Talent dürfe keinesfalls genauso vor die Hunde gehen
wie damals das ihre, als sie ihren Mann, diesen Tunichtgut, heiratete und dafür
die Akademie aufgab.«
    »Und was tat sie, um es ihm zu ermöglichen?«
    »Was sie tat?« wiederholte er
verblüfft. »Nicht viel, soweit ich mich erinnere. Sie schränkte sich ein und
legte Geld auf die Seite. Und der Junge suchte sich den Job bei der Rock-Band.«
    »Wann war das, Charlie? Überlegen Sie
genau.«
    Er runzelte die Stirn. »Soweit ich mich
erinnern kann, war das vor ungefähr anderthalb Jahren — im Herbst des
vorletzten Jahres. Chris hätte im vergangenen August nach New York gehen
müssen, wenn alles geklappt hätte.«
    Vor anderthalb Jahren also war Joan
reif gewesen für ein Geschäft, bei dem viel Geld zu machen war. Vielleicht
hatte auch die romantische Vorstellung, einem Schmuggelring anzugehören, sie
verlockt.
    Ich stand auf und schob mein
unberührtes Bier Charlie hin.
    »Und was tun Sie jetzt?« fragte er.
    »Jetzt fahr ich erst mal in die Stadt.
Ich melde mich wieder bei Ihnen. Sobald ich den Mörder geschnappt habe, hören
Sie von mir.« Ich wandte mich zum Gehen, sagte dann aber noch: »Charlie, wenn
dieser Lieutenant Marcus zu Ihnen kommt, dann sagen Sie ihm alles, was Sie mir
gesagt haben. Er ist ein ganz vernünftiger Mann. Er wird Ihnen glauben.«
    Damit eilte ich hinaus.
    Was ich gesagt hatte, war mein Ernst.
Ich fand Greg Marcus durchaus vernünftig, wenn er nicht gerade den großen,
starken, feuerspeienden Bullen spielte. Hätte Marcus allerdings gewußt, daß ich
vorhatte, in Oliver van Ostens Büro einzubrechen, wäre ich bestimmt in den
Genuß der nächsten großen Bullennummer gekommen.

20
     
    Aus eigener Erfahrung wußte ich, daß
man, wollte man unbemerkt an einem Wächter oder Posten vorbeikommen, vor allem
dessen Gewohnheiten studieren und den wunden Punkt finden mußte. Ich stellte
mich an die Bushaltestelle vor dem alten Haus in der Market Street, wo van
Osten sein Büro hatte, und beobachtete den Mann in Uniform.
    Es war fast sieben Uhr abends, aber
eine große Zahl von Leuten ging in das Haus hinein. Der Wächter fragte jeden
nach seinem Namen und hakte den Namen dann auf einer Liste ab. Punkt sieben
kreuzten ungefähr zwanzig Personen auf einen

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