Es ist niemals vorbei
Dieses Mal würde ihre Rache schlimmer als zwei Tage Höhle sein, davon war ich überzeugt.»
Ich nickte.
«Ich hatte Angst, sie würde telefonieren und den Befehl geben, dich und Ben zu ermorden.»
«Du hast gesagt, sie hätte dein Hemd aufgeknöpft. Was kam danach?»
«Ana entdeckte die Narben. Sie erstarrte. Selbst ihr Gesicht war wie versteinert. Gleich darauf bat sie mich zu gehen. Das war ihr einziger Versuch. In der übrigen Zeit gab sie mir Aufträge. Meistens ging es darum, die Männer, die im Haus arbeiteten, zu überwachen. Das habe ich getan und währenddessen nach Beweisen gesucht. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen.»
«Was denn?»
«Ich weiß nicht, was geschehen wäre, wenn sie die Narben nicht entdeckt hätte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich hätte dich betrogen.»
«Du hast alles getan, um zu überleben. Ich wünschte, ich hätte dich nicht gefragt. Es war selbstsüchtig. Ich dachte, ich müsste es wissen, aber das war falsch.»
«Nein, Karin, ich bin froh, dass du dich überwunden hast. Ich habe dir den Zweifel doch angesehen.»
Wir küssten uns, und von diesem Tag an kam der Traum nie wieder.
Aber vorbei war es noch immer nicht.
Ich mochte von meinem Traum erlöst sein, aber Macs Albträume wurden schlimmer. Die Geister, die ihn verfolgten, ließen ihn nicht los. Tagsüber war er dermaßen erschlagen, dass er kaum die Augen offen halten konnte – vermutlich fand er nachts keinen Schlaf. Als ich ihn fragte, leugnete er es. Aber eines Nachts wurde ich kurz vor drei Uhr morgens wach und sah, dass Mac nicht an meiner Seite lag. Ich tappte hinaus. Oben brannte Licht. Leise schlich ich die Treppe hoch.
«Mac?», flüsterte ich. «Wo bist du?»
In der Küche scharrte ein Stuhl über den Boden, gefolgt von einem mürrischen «Hier».
Mac saß am Küchentisch, hatte einen Teller voller Krümel zur Seite geschoben und eine aufgeschlagene Zeitschrift vor sich. Darauf lag ein Schreibblock. Offenbar hatte ich ihn beim Schreiben unterbrochen. Er legte eine Hand auf den Block, um das Geschriebene zu verbergen.
«Seit wann bist du schon auf?»
«Seit einer Weile.»
«Kannst du nicht schlafen?»
«Wenn ich schlafen könnte, würde ich nicht hier –»
«Okay», winkte ich ab. «War eine dumme Frage. Was machst du da?» Ich deutete auf die Liste.
«Nichts. Nur ein paar Dinge, die ich mir notieren wollte.»
Ich setzte mich zu ihm. «Was für Dinge?» Ich war sehr neugierig, das gebe ich zu. Seit unserer Rückkehr hatte Mac kaum etwas getan, außer Zeitung zu lesen und mit Ben auf den Spielplatz zu gehen. Es störte mich nicht. Mac musste sich erholen und brauchte eine lange Ruhepause. Irgendwann würde er sich wieder aufraffen, davon war ich überzeugt.
«Nichts, was dich betrifft, Karin.»
«Ach?»
Mac schob mir den Schreibblock zu. «Ich kann keine Nacht mehr schlafen.»
Obenan auf der Liste stand unterstrichen Diegos Name. Darunter hatte er eine Spalte mit Adressen angelegt, allesamt in oder um Playa del Carmen: Wohnhäuser, Firmen, Clubs, Restaurants, Läden und Strände.
«Wozu soll das gut sein?», fragte ich.
Macs Seufzer war so tief und resigniert, als litte er an einer Krankheit. Es war so herzzerreißend, dass ich ihm eine Hand auf den Arm legte. Mac schüttelte sie ab.
«Was hast du denn?»
«Ich muss Diego helfen.»
«Wie bitte?»
«Ich dachte mir schon, dass du das nicht verstehen würdest.»
«Das ist nicht fair.»
Mac starrte mich an. Seine Pupillen zogen sich zusammen, und ihm brach der Schweiß aus.
«Mac, geht es dir nicht gut?»
«Ich brauche frische Luft.»
Er stand auf, öffnete die Küchentür und trat auf die Veranda hinaus. Von dort aus schaute man auf unseren Garten, der zurzeit allerdings nur aus vertrocknetem Unkraut bestand. Vom Küchenfenster konnte ich sehen, dass Mac draußen auf und ab ging. Ich folgte ihm hinaus.
«Ich werde bei Joyce einen Termin für dich machen», begann ich.
«Sie ist deine Therapeutin, Karin. Du weißt, dass Ehepaare nie zum selben Psychiater gehen sollten.»
«Ich habe meine Therapie beendet.»
«Trotzdem.»
«Dann such dir jemand anders.»
Mac schwieg. «Na gut», sagte er dann.
«Du brauchst Hilfe. Das ist doch nichts Schlimmes.»
Er nickte, wirkte aber nicht sehr überzeugt.
«Mac, du bist traumatisiert.»
«Der Gedanke ist mir selbst schon gekommen.»
«Also sind wir in diesem Punkt einer Meinung. Das ist doch immerhin etwas.»
«Es ist nur so –» Mac brach ab und schaute mich an. Hinter ihm, im
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