Es ist niemals vorbei
einem riesengroßen Vogel, der sich aus dem Sand erhebt. Der Regen versiegt. Sie steigen auf und tauchen in einen leuchtend purpurroten Himmel ein. Eine schwarze Krähe tritt aus den Wolken hervor und folgt ihnen. Ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit durchdringt mich, und ich werde zu der Krähe, zu einem Vogel mit meinem Gesicht und mit meinem Körper, der nicht mehr fliegen kann und wie ein Stein vom Himmel fällt …
In dem Moment wurde ich jedes Mal wach. Als wir in der ersten Nacht zu Bett gingen, waren wir dermaßen am Ende, dass wir tief und fest schliefen, Ben in unserer Mitte. Aber in der zweiten Nacht hatte ich diesen Traum zum ersten Mal. Er kehrte immer wieder.
Ich war bislang kein eifersüchtiger Mensch gewesen, doch wenn ich Mac jetzt ansah, fragte ich mich:
Hat er wieder mit ihr geschlafen? Hat es ihm gefallen?
Manchmal dachte ich, dass wir und unser Leben wieder so gefestigt waren, dass ich ihn fragen konnte. Doch dann tauchten wieder so viele Fragen auf, dass ich nicht wusste, wo ich anfangen sollte. Immer wartete ich auf den richtigen Moment, der doch nie kam. Schließlich sah ich ein, dass ich ihn herbeiführen musste.
«Mac?»
Er ließ die Zeitung sinken.
«Hast du mit Ana geschlafen?»
Mac legte die Zeitung zusammengefaltet auf seinen Schoß und sagte nichts.
«Zwischen uns würde das nichts ändern.» Ich zog den Bademantel enger um mich, denn plötzlich war mir kalt geworden. «Ich würde es nur gern wissen.»
Mac legte die gefaltete Zeitung neben sich auf das Sofa, rutschte ein Stück vor, steckte seine Hände zwischen die zusammengepressten Knie und schaute mich eindringlich an. Er trug eine karierte Schlafanzughose und ein altes T-Shirt, dessen Kragen ausgeleiert war. Ich konnte die verblasste Tätowierung und ein paar weißliche Narben erkennen.
«Möchtest du das wirklich wissen?»
«Ich habe darüber nachgedacht. Eigentlich wollte ich dich nicht fragen, aber inzwischen träume ich nachts davon, und das will ich nicht mehr. Deshalb ja, ich möchte es wissen.»
«Ganz sicher?»
«Ja.»
«Na schön. Den Anfang habe ich dir schon erzählt. Als ich bei ihr ankam, benahm sie sich, als wären wir einfach alte Freunde. Wir haben zusammen zu Abend gegessen, und sie hat mir ein Gästezimmer für die Nacht angeboten. Am nächsten Tag schlug Ana vor, dass ich wieder bei ihren Geschäften mitmache.»
«Wie in alten Zeiten.»
«Genau. Ich habe mich geweigert. Daraufhin erschienen ihre Schergen, verpassten mir eine Drogenspritze und brachten mich in die Höhle, die du kennst.»
Schaudernd entsann ich mich des dunklen, modrigen Lochs. «In der du zwei Tage lang gelegen hast», ergänzte ich.
«Richtig.»
«Und dann hat sie dich zurückbringen lassen –»
Weichgeklopft wie ein Stück Fleisch.
«– und mich aufgefordert, mit ihr ins Bett zu gehen.»
Mein Magen fing an zu schmerzen. Ich legte eine Hand darauf.
«Mir war klar, dass meine Weigerung Folgen haben würde.»
Ich nickte.
«Und dass ich außerdem einen Auftrag hatte, der lautete, an ihr dranzubleiben und so tief wie möglich vorzudringen.» Angesichts der unglücklichen Metapher zuckte Mac verlegen zusammen. «Entschuldige, aber du weißt, was ich meine.»
«Hast du es nun getan oder nicht?»
«Ich bin ihr hoch in ihr Schlafzimmer gefolgt, in einen Raum mit roten Wänden und Fenstern zum Meer. Die Vorhänge blähten sich in der Brise. Alles sehr dramatisch und typisch Ana. Wir tranken ein paar Gläser und unterhielten uns. Dann wurde es dunkel, und sie zündete überall Kerzen an.»
Mac fuhr sich mit den Händen durchs Haar und stand auf. Es war früher Sonntagnachmittag, und wir hatten den Tag im Schlafanzug verbracht. Mac begann auf und ab zu laufen, und ich machte mir Sorgen, dass seine schweren Schritte Ben aufwecken würden, der in seinem Zimmer unter uns seinen Mittagsschlaf hielt.
«Leise», sagte ich.
Mac blieb stehen und schaute mich aus ein paar Schritten Entfernung an.
«Sprich weiter», ermunterte ich ihn.
«Sie hat Musik aufgelegt. Ana ist die geborene Verführerin. Das ist ihr Geschäft. Darauf beruht der gesamte Drogenverkehr: Begierde zu wecken und sie gewinnbringend zu nutzen.»
«Wie oft?»
Verwirrt sah Mac mich an. «Wie oft was?»
«Wie oft hattet ihr Sex?»
«Sie hat mein Hemd aufgeknöpft. Ich war ziemlich am Ende. Immer wieder ging mir durch den Sinn, dass sie meine Eltern hatte ermorden lassen und dass mir Gott weiß was blühen konnte, wenn ich ihr noch einmal etwas ausschlagen würde.
Weitere Kostenlose Bücher