Es ist niemals vorbei
lange Leitung», erwiderte Jon.
Ich musste lachen.
«Gestern Abend hat Mom uns alle angerufen», fuhr Jon fort. «Gleich nachdem sie wusste, dass ihr Mexiko gesund und munter verlassen hattet.»
«Jasmine hat mir aus dem Flugzeug eine E-Mail geschickt», erklärte meine Mutter. «Und ich bin gleich zum Telefon gestürzt.»
Meine Mutter setzte sich auf einen Sessel neben Rosie, die mit John, ihrem Kleinsten, auf dem Schoß auf dem Fußboden saß. An ihrer Seite saß Danny auf einem Hocker, neben ihm Dave auf einem Stuhl. Die restlichen Kinder hockten auf dem Fußboden und zappelten vor Aufregung. Jon fläzte sich auf einem Sessel, Larry ebenfalls. Andrea saß auf Macs anderer Seite auf dem Sofa und rieb ihm in beruhigenden Kreisbewegungen den Rücken. Ich konnte mich kaum an ihnen allen sattsehen.
«Jetzt erzähl doch mal, Onkel Mac», begann Lindsay ungeduldig. «Ich weiß nur, dass dich so eine Art Hexe in einem Verlies gefangen gehalten hat.»
«Lindsay!»
Larry machte ein strenges Gesicht und hob den Zeigefinger.
«Mensch», maulte Lindsay.
«Tante Karin und Onkel Mac stinken», rief John.
«John!»
Ich roch an meiner Achselhöhle. «Oje. Der Junge hat recht.»
«Meine Kinder sind unmöglich», sagte Rosie kichernd. Dabei wussten wir, dass sie ihre Kinder dazu ermutigte, immer frei von der Leber weg zu sprechen. «Schlimme, verzogene kleine Blagen.»
«Kindermund tut Wahrheit kund», sagte Mac. «Eine Dusche und frische Kleidung könnten uns tatsächlich nicht schaden.» Ein wenig wackelig stand er auf, ging zu meiner Mutter und küsste sie auf die Wange. «Vielen Dank für alles, was du für uns getan hast.» Dann stieg er über die Kinder hinweg und legte Danny eine Hand auf die Schulter. «Danny – ich weiß, dass du sauer auf mich bist, aber glaub mir, das, was passiert ist, tut mir aus ganzem Herzen leid.»
«Aber warum denn?» Danny drückte Macs Hand. «War wahrscheinlich lustiger als in einer Entzugsanstalt. Was nicht heißt, dass ich es noch einmal erleben möchte.»
«Wenn sich hier jemand entschuldigen muss, dann bin ich es», mischte sich Rosie ein. «Hätte ich den Mund gehalten, wäre dieser Detective niemals auf dich gekommen.»
«Tja», sagte Mac. «Und hätte ich den Mund aufgemacht, wäre Danny sofort wieder freigekommen.»
«Das reicht jetzt», entgegnete Danny. «Lasst uns das abhaken, okay? Ich liebe euch beide.»
«Wir dich auch», sagte Mac leise. Rosie deutete ein Nicken an. An das, was vorgefallen war, würden sie sich noch lange erinnern, aber sie gingen anständig damit um, und das war immerhin ein Anfang.
Unten an der Treppe, als uns keiner mehr sehen konnte, krümmte Mac sich plötzlich, barg das Gesicht in den Händen und begann zu weinen. Bruchstücke der Unterhaltung im Wohnzimmer drangen an meine Ohren.
Andrea: «Sie sehen großartig aus.»
Dave: «Sie sehen furchtbar aus.»
Andrea: «Ich meinte, angesichts der
Umstände
.»
Rosie: «Sie
leben
. Los, Kinder, ihr kommt jetzt mal aus dem Knick und fangt an, den Abendbrottisch zu decken.» Ich hörte leises Murren und dann Getrampel in Richtung Esszimmer und Küche. Es war alles so wie immer. Auch unser Leben würde wieder zur Normalität zurückfinden, dessen war ich mir sicher.
Die Tage verstrichen. Mac und ich waren noch immer mitgenommen und gingen behutsam miteinander um, doch langsam begannen wir aufzuatmen. Wir fühlten uns befreit, als wären wir aus einem Albtraum aufgewacht. Das, was wir hinter uns hatten, meine Suche, Macs Leben ohne mich, die Todesangst, all das war vorüber – beinahe jedenfalls. Denn Ana lauerte noch immer irgendwo da draußen, und bisweilen schien mir, dass wir ihr zwar entkommen, aber immer noch nicht frei von ihr waren. Mac zuckte jedes Mal zusammen, wenn es an der Tür klingelte, und ich litt unter einem immer wiederkehrenden verstörenden Traum:
Es regnet in Strömen, doch die beiden – Mac und Ana – lieben sich an einem Strand, hingebungsvoll, träge und gelöst, als gäbe es kein Unwetter, keinen Wind. Sie sind nicht mehr jung, sondern in ihren mittleren Jahren. Ihr Glück speist sich aus der Gewissheit, dass sich ein Kreis geschlossen hat. Sie feiern ihre Liebe, die sie wieder vereint hat. Ana berührt Macs Gesicht; er leckt die Regentropfen von ihren Fingern. Ihr Hals wölbt sich, ihr Kopf gräbt sich in den Sand. Mac drückt den Rücken durch, seine Schultern werden breit, während die beiden miteinander verschmelzen und zu einem einzigen Organismus werden,
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