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Es muss nicht immer Grappa sein

Titel: Es muss nicht immer Grappa sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grafit
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wie Liebe. Warum senden sie eigentlich Seifenopern im Fernsehen und brechen sich beim Drehbuchschreiben einen ab?«
    Frau Schmitz gesellte sich zu uns. »Das junge Mädel tut mir leid. Ob die jetzt eine andere nehmen für die Rolle?«
    »Ist nicht geplant«, berichtete ich. »Ging eben über den Ticker.«
    »Das war bei Dallas doch auch so«, erinnerte sich die Bäckersfrau. »Imma wenn da ein Schauspieler weggestorben ist, kam einfach Ersatz. Und nach zwei Folgen hatte man sich dran gewöhnt.«
    Ich schaute auf die Uhr. In einer Stunde würde die nächste Folge von Gute Tage – schlechte Tage ausgestrahlt. »Ich muss los. Packen Sie mir zwei Baguettes und eine Knüppelstange ein, Frau Schmitz?«
Wlad macht Plopp
    »Sie haben Kalinka verhaftet«, teilte ich Wlad mit. Bepackt wie ein Maulesel stand ich in der Tür.
    »Gutä Sachä«, meinte er und nahm mir die Tüten ab.
    »Ich hab eingekauft. Wir essen was und dann überlegen wir, wie es weitergeht. Du kannst hier nicht länger bleiben.«
    »Warum nicht?«
    »Die Polizei sucht dich, Wlad! Ich komme in Teufels Küche, wenn ich dich hier verstecke. Hast du denn keine Freunde? Oder flieg nach Russland zurück!«
    »Mein Pass ist in Haus von Gogol. Geld nix da.«
    »Dann geh zur Polizei! Du bist ein wichtiger Zeuge.«
    Er schüttelte stumm den Kopf.
    »Du willst doch, dass Kalinka bestraft wird, oder?«
    »Macht Kiki nicht läbändig.«
    Wir gingen in die Küche. Dort stellte ich den Mini-Fernseher an. Wlad sah erst hin, als die Titelmelodie der Soap erklang. Ich betrachtete ihn. Der Riesenkerl war ein kleinmütiges Häufchen Elend, das in sich gesunken auf einem Küchenstuhl klebte.
    »Bier?«, fragte ich. Er nickte. Ich stellte die Flasche vor ihn hin und suchte nach einem Öffner. Da hörte ich es schon ploppen. Wlad hatte die Ecke des Küchentisches zweckentfremdet.
    »Aua!«, sagte ich.
    »Tschuldigä …«
    Ich nahm mir ein Glas Wein und setzte mich ebenfalls. Ob Kiki in dieser Folge noch mitspielen würde? Sie war am Samstag gefunden worden und hatte in der Woche vor ihrem Tod noch gedreht. Wlad starrte auf den Monitor – vor sich die leere Bierflasche.
    Die Folge begann mit den Erlebnissen des Kleinen Krokodils im Regenwald.
    Sammy sitzt an einem See, dessen Wasser in der Sonne glänzt. Vor ihm liegt ein Haufen Pflanzen. Er betrachtet eine nach der anderen, riecht an ihnen und steckt sie sorgfältig in einen Leinensack. Sammys Gesicht in Großaufnahme. Die Kamera zeigt die Pupille und das Bild wird weich geblendet zur krebskranken Mutter. Sammys Stimme im Off und mit Hall unterlegt: »Mutter, ich habe die Pflanze vielleicht gefunden. Mutter, sei stark. Mutter, halte durch. Ich denke an dich!«
    Puh, das war starker Tobak. Alles war wichtiger als dieser unerträgliche Kitsch. Zum Beispiel das Abendessen. Ich tischte Käse, Wurst und frisches Brot auf. Dazu Tomaten, Radieschen und eine Schlangengurke. Eine zweite Flasche Bier für Wlad.
    Vielleicht sollte ich ihm nicht so viel Alkohol geben, dachte ich. Nicht dass er durchdreht.
    »Öffnär?«, fragte er.
    »Ich find ihn nicht«, gestand ich. »Nimm noch mal den Tisch.«
    Plopp.
    Jerome, das Schnuckelchen unter den Detektiven, sitzt bei Harro Graf von Liechtenstein auf dem brokatbezogenen Sofa. Des Grafen Gesicht ist versteinert. »Hat man sie …? Hat sie leiden müssen?« Seine Stimme erstirbt. »Das weiß nur die Polizei«, antwortet Jerome. »Sie ist heute früh obduziert worden.« »Ich weiß nicht, wie ich ohne sie weiterleben soll.« Dem Grafen laufen Tränen übers aristokratische Gesicht. Die Hausdame – Kikis heimliche Mutter – erscheint und meldet den Besuch der Gräfin.
    »Ich auch nicht wissän, wie weiterlebän«, schluchzte Wlad. Heftiges Weinen ließ das Muskelpaket erzittern.
    Was sollte ich tun?
    Die dritte Flasche Bier für Wlad. Wieder plopp. Der arme Tisch, dachte ich.
    »Das Leben geht weiter«, sagte ich lahm. »Auch ohne Kiki. Hast du keine Verwandten in Russland? Keine Freunde?«
    Der Gorilla antwortete nicht, sondern starrte auf den Monitor.
    Ich putzte die Radieschen und hobelte die Gurke in feine Scheiben. Wenn er nicht freiwillig zur Polizei geht, schoss es mir durch den Kopf, dann rufe ich Kleist an.
    »Kikischka war gutes Mädchän.« Er artikulierte nicht mehr sauber. »Männer haben Unglück gebracht über sie. Ich sie geliebt, sähr geliebt.«
    »Gogol hat Kiki bestimmt auch geliebt«, warf ich ein. »Und Carstens und viele andere auch.«
    »Gogol kein Mann. Gogol Wallach,

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