Es muß nicht immer Kaviar sein
Reichskreditkassenscheine sind?«
Thomas wußte es. Die RKK s waren eine Art Besatzungsgeld. Es gab sie in jedem von den Deutschen besetzten Land. Mit ihrer Hilfe sollte vermieden werden, daß richtige deutsche Banknoten in zu großen Mengen ins Ausland kamen.
Ferroud sagte: »Diese Reichskreditkassenscheine haben laufende Seriennummern. Zwei Zahlen der Serie – sie stehen immer an derselben Stelle – geben dem Fachmann bekannt, für welches Land die Scheine bestimmt sind. Nun, lieber Freund, im letzten halben Jahr wurden auf dem ›Marché noir‹ mit solchen Kassenscheinen französische Waren im Wert von annähernd zwei Milliarden aufgekauft. Scheine im Wert von über einer Milliarde aber wiesen nicht französische, sondern rumänische Kennzahlen in den Seriennummern auf!«
»Rumänische?«
Thomas fuhr hoch. »Wie können rumänische Scheine in so riesigen Mengen nach Frankreich gekommen sein?«
»Das weiß ich nicht.« Ferroud ging zu seinem Schreibtisch und entnahm ihm zwei dicke Bündel mit speckigen Reichskreditkassenscheinen im Wert von jeweils 10 000 Mark. »Ich weiß nur, daß sie da sind. Hier bitte, sehen Sie, die rumänischen Kennzahlen. Und, Monsieur, ich glaube nicht, daß
Franzosen
in der Lage waren, diese für Rumänien bestimmte Sintflut auf ihr eigenes Land umzuleiten …«
18
»… Ferroud weiß nicht, wie die rumänischen Kassenscheine nach Frankreich gekommen sind«, berichtete Thomas Lieven zwei Stunden später im Büro des Oberst Werthe im Hotel »Lutetia«. Er sprach schnell, Jagdfieber hatte ihn gepackt. Es entging ihm, daß Oberst Werthe und der kleine, ehrgeizige Major Brenner, seine beiden Zuhörer, bisweilen seltsame Blicke miteinander tauschten. Er war zu sehr in Fahrt. »Aber fest steht für Ferroud, daß die Scheine nur von Deutschen ins Land gebracht werden konnten, daß also Deutsche die Leiter der gesamten Organisation sein müssen.«
»Davon ist Ihr Monsieur Ferroud also überzeugt«, sagte Oberst Werthe gedehnt und sah Brenner an.
»Was ist eigentlich hier los?« Jetzt bemerkte Thomas, daß etwas nicht stimmte. »Was sollen die Blicke?«
Oberst Werthe seufzte und sah Brenner an: »Sagen Sie es ihm.«
Major Brenner biß sich auf die Lippen: »Ihr Freund Ferroud hat große Schwierigkeiten zu erwarten. Seit einer halben Stunde steht er unter Hausarrest. Wenn Sie noch ein bißchen länger bei ihm geblieben wären, hätten Sie Ihren alten Freunden, dem Sturmbannführer Eicher und seinem Adjutanten Winter, guten Tag sagen können.«
Thomas wurde es kalt. »Was ist geschehen?«
»Vor zwei Tagen wurde in Toulouse ein gewisser Untersturmführer Erich Petersen ermordet. Erschossen. In seinem Hotel. Hotel ›Victoria‹. Der Täter entkam. Für den SD steht fest, daß es sich um eine politische Aktion handelt. Um eine Demonstration. Der Führer hat bereits ein Staatsbegräbnis angeordnet.«
»Himmler verlangt, daß schärfstens durchgegriffen wird«, sagte Oberst Werthe.
»Der SD Toulouse hat sich an die französische Polizei gewandt, und diese hat ihm eine Liste von 50 Kommunisten und 100 Juden übergeben«, sagte Brenner. »Aus ihren Reihen wird man die Geiseln auswählen, die für den Mord an Petersen erschossen werden.«
»Charmant von der französischen Polizei, dieses Entgegenkommen, Herr Lieven, nicht wahr?« sagte Oberst Werthe bissig. »Immer nur rein in die Gestapo-Fratze. Und wenn die eigenen Landsleute verrecken dabei.«
»Moment, Moment mal«, sagte Thomas. »Ich komme nicht mehr mit. Ich habe zwei Fragen. Erstens: Warum ein solches Theater um diesen Herrn Petersen?«
Brenner antwortete: »Weil dieser Herr Petersen Blutordensträger war. Darum ist im Reichssicherheitshauptamt der Teufel los. Darum ist Bormann persönlich zu Himmler gelaufen und hat nach blutiger Vergeltung verlangt.«
»Schön«, sagte Thomas, »das leuchtet mir ein. Frage zwei: Was hat mein Bankier Ferroud mit dem Mord in Toulouse zu tun?«
»Der SD Toulouse hat eine Reihe von Zeugen verhört. Darunter befindet sich auch ein V-Mann der Gestapo, ein kleiner Geldverleiher namens Victor Robinson. Dieser Robinson hat dem SD Beweise dafür geliefert, daß Ihr Jean-Paul Ferroud der geistige Urheber des Mordes an Untersturmführer Erich Petersen ist.«
Das Gehirn unseres Freundes arbeitete rasend: Blutordensträger Petersen ermordet. Ferroud unter Verdacht. Ich weiß viel von ihm. Aber er – er weiß jetzt auch viel von mir. Hat er mich hereingelegt? Hat er die Wahrheit gesagt? Was wird mit
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