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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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aufgehängt. Beim erstenmal wurde er gefoltert. Als er …«, ihre Stimme brach, »… als er heimkam aus dem Krankenhaus, da hatte er … da hatte er – dieselben Narben … Und Sie habe ich beschimpft – verdächtigt …
Sie
 …«
    »Yvonne …«
    Er trat zu ihr. Die Lippen einer schönen Frau trafen die Narben von Wunden, die ein brutaler Mann geschlagen hatte. Dann spürten sie einander. Zärtlichkeit schwemmte Scheu und Erinnerungen weg. Die Zugsirene schrie. Die Achsen schlugen gehetzt. Leise klirrte die Vase mit den roten Nelken.
    17
    Schneller und schneller jagte die zweimotorige Kuriermaschine mit den deutschen Hoheitszeichen über die Startpiste des Flughafens Marseille. Der Vormittag war trüb. Leichter Regen fiel.
    An einem der Fenster des Flughafengebäudes stand ein Mann mit vielen falschen Namen. Sein richtiger Name lautete Thomas Lieven. Die Hände in den Taschen des weichen Flauschmantels, drückte er beide Daumen.
    In der Kuriermaschine saß Yvonne Dechamps. Nun flog sie nach Madrid und von dort weiter nach Lissabon.
    Eine einzige Nacht lang nur hatten sie einander geliebt – und doch kam Thomas sich nun, da die Maschine in den Wolken verschwand, einsam vor, verlassen, uralt.
    Er fröstelte. Leb wohl, Yvonne, sagte er in Gedanken. In deinen Armen habe ich zum erstenmal seit Monaten nicht mehr an Chantal gedacht. Aber wir durften nicht zusammenbleiben. Dies ist keine Zeit für Liebe. Diese Zeit reißt die Liebenden auseinander, oder sie tötet sie. Alles Gute, Yvonne, wir werden wohl nie mehr voneinander hören. Aber da irrte er sich!
    Am 22. September 1943 war Thomas Lieven wieder in Paris. Nanette, sein hübsches, schwarzhaariges Dienstmädchen, das ihn verehrte, berichtete: »Monsieur Ferroud ’at schon angerufen viermal. Er sagte, er Sie dringend sprecken müssen.«
    »Kommen Sie heute um vier Uhr zu mir nach Hause«, bat Ferroud, nachdem Thomas ihn telefonisch in seiner Bank erreicht hatte.
    Als unser Freund eintraf, umarmte der weißhaarige, elegante Geldmensch ihn mit Tränen in den Augen.
    Thomas räusperte sich. »Monsieur Ferroud, Yvonne ist in Sicherheit.
Sie
sind es nicht.
Sie
sind es weniger denn je.«
    »Bitte?«
    »Bevor wir zu unserem Geschäft kommen – ich habe meinen Teil erledigt, jetzt sind Sie am Zuge –, will ich Ihnen schnell erzählen, was meine Untersuchung Ihrer Transaktionen bisher ergeben hat.«
    Thomas hatte mittlerweile eruiert, daß dieser Jean-Paul Ferroud ein Gesetzesbrecher besonderer Art war: Er verschob, wie andere Schwarzhändler, riesige Mengen von kriegswichtigen Gütern – aber nicht, um sie an die Deutschen zu verkaufen, sondern um sie vor den Deutschen in Sicherheit zu bringen. Er war das Gegenteil der gewöhnlichen Schieber, die Frankreich ausverkauften.
    Er versuchte, französischen Besitz zu
retten
. Zu diesem Zweck hatte Ferroud Bilanzen gefälscht, unrichtige Produktionszahlen der Betriebe angegeben, die unter der Verwaltung seiner Bank standen, und riesenhafte Warenmengen an die Deutschen scheinverkauft.
    Das alles sagte Thomas ihm jetzt auf den Kopf zu. Ferroud wurde bleich. Er wollte protestieren, verstummte zuletzt und wandte Thomas den Rücken zu.
    Der schloß: »… was Sie getan haben, ist einfach idiotisch, Monsieur. Was wird in Kürze die Folge sein? Man wird Ihre Fabriken enteignen. Und dann? Was Sie getan haben, verstehe ich vom Standpunkt des Franzosen. Darum ein privater Rat, bevor man Ihnen auf die Schliche kommt: Fordern Sie schleunigst deutsche Treuhänder an. Dann wird sich kein Mensch mehr um Ihre Fabriken kümmern … Na, und die Treuhänder zu umspielen, das wird Ihnen doch keine Schwierigkeiten bereiten – oder?«
    Ferroud drehte sich um. Er nickte. Er schluckte zweimal. Dann sagte er: »Danke.«
    »Keine Ursache. So. Und nun zum Geschäft. Aber ich warne Sie, Ferroud. Wenn Ihre Informationen nichts wert sind, dann lasse ich Sie hochgehen! Es ist nämlich nicht so, daß ich mich
nur
in Franzosen hineindenken kann. Yvonne ist schließlich mit deutscher Hilfe gerettet worden.«
    »Das weiß ich. Das erkenne ich auch an.« Ferroud kam näher. »Und was ich Ihnen verrate, kann Ihnen helfen, einen der größten Schwarzmarktringe aller Zeiten zu zerschlagen. Eine Organisation, die nicht nur meinem, sondern auch Ihrem Land bereits den größten Schaden zugefügt hat. In den letzten Monaten sind in Frankreich deutsche Reichskreditkassenscheine in so ungeheuren Mengen wie noch nie aufgetaucht. Sie wissen, was

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