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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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da noch stundenlang zu beraten?
    Erst um 19 Uhr 45 am 23. Oktober kehrten die Geschworenen in den Saal zurück. Totenstill wurde es. Alle Anwesenden hatten sich erhoben, als Richter Byers fragte: »Nun, Herr Obmann, haben Sie Ihren Wahrspruch gefällt?«
    »Ja, Euer Ehren.«
    »Wie lautet er?«
    »Unser einstimmiger Wahrspruch lautet: Der Angeklagte ist schuldig im Sinne der Anklage.«
    Nicht ein Muskel zuckte in Rudolf Iwanowitsch Abels Gesicht.
    Am 15. November erging das Urteil: 30 Jahre Zuchthaus und 2000 Dollar Buße.
    30 Jahre und 2000 Dollar Buße für den größten russischen Spion aller Zeiten? Wie war so etwas möglich? Ein ganzes Land stand Kopf – aber nur ein paar Tage lang. Dann geriet die Affäre Abel, wie alles im Leben, in Vergessenheit …
    Seltsames Spiel des Zufalls!
    Zur Zeit, da diese Zeilen in Druck gehen – Sommer 1960 – hat die Weltgeschichte uns sozusagen eingeholt und die Prognosen unseres Freundes Thomas Lieven bereits Wirklichkeit werden lassen. Wir hoffen, daß der geneigte Leser einen kurzen Zeitsprung in die unmittelbare Gegenwart hinein verzeiht. Wir müssen ihn wagen, sonst wäre die Geschichte des Falles Abel unvollständig.
    Am 1. Mai 1960 geriet nahe der sowjetischen Stadt Swerdlowsk ein amerikanisches Aufklärungsflugzeug vom Typ U-2 in die Hände der Sowjets. »Amerikanisches Flugzeug von russischer Rakete abgeschossen« stand in allen Zeitungen zu lesen. Der Pilot der Maschine hörte auf den Namen Francis G. Powers, war 30 Jahre alt, verheiratet, Bürger des amerikanischen Bundesstaates Virginia. Der Zwischenfall ereignete sich in einer Zeit politischer Hochspannung, unmittelbar vor Beginn der sogenannten »Pariser Gipfelkonferenz«, an welcher Eisenhower, Chruschtschow, Macmillan und de Gaulle über den Frieden der Welt beraten wollten. Er diente den Sowjets als Vorwand, die Konferenz noch vor ihrem Beginn auffliegen zu lassen.
    Der Pilot wurde in Moskau vor ein Militärgericht gestellt. Die Sowjets inszenierten einen großen Propagandacoup. Der Generalstaatsanwalt Rudenko – einstmals sowjetischer Ankläger im Nürnberger Prozeß – erklärte in seinem Plädoyer: »Hier steht nicht allein der Flieger Powers vor Gericht, sondern auch die amerikanische Regierung, der wahre Inspirator und Organisator dieses ungeheuerlichen Verbrechens.«
    Obgleich er das Verbrechen ungeheuerlich nannte, wurde der Staatsanwalt am Schluß seines Plädoyers von Milde ergriffen: »Ich stelle die Reue des Angeklagten in Rechnung und bestehe nicht auf der Todesstrafe.« Fünfzehn Jahre Freiheitsentzug forderte Rudenko. Das Gericht bemaß die Strafe noch milder: Der Pilot erhielt zehn Jahre Freiheitsentzug …
    Der zu dreißig Jahren Zuchthaus verurteilte Sowjetspion Abel ließ in der Sowjetunion eine Frau, eine verheiratete Tochter und einen kleinen Sohn zurück. Sie durften an dem Prozeß gegen ihn nicht teilnehmen. Die Frau des Piloten Powers hingegen, seine Eltern und seine Schwiegermutter erhielten von den Sowjets Einreisegenehmigungen und wohnten dem Prozeß gegen den abgeschossenen US -Flieger auf Logenplätzen des Moskauer Gerichtssaales bei.
    Oliver Powers, der Vater des Angeklagten, ein biederer Schuhmacher, erklärte Journalisten: »Ich hoffe, daß Chruschtschow meinen armen Jungen begnadigen wird. Er hat schließlich selbst einen Sohn im Krieg gegen die Deutschen verloren, in dem unsere Soldaten Seite an Seite mit den Russen gekämpft haben. Und wenn er ihn schon nicht begnadigen kann, dann gibt es vielleicht die Möglichkeit, ihn gegen einen sowjetischen Spion auszutauschen, der in den Staaten gefangen wurde. Ich denke da an den Agenten Abel …«
    Und was wird nun geschehen?
    Tja, was wohl?
    13
    Wir hoffen, wie gesagt, daß der geneigte Leser uns den kurzen Zeitsprung in die unmittelbare Gegenwart verzeihen wird. Aber kehren wir schleunigst zurück zum Herbst des Jahres 1957.
    Und da müssen wir uns gleich noch einmal entschuldigen. Wir hoffen, daß auch das »Federal Bureau of Investigation« uns verzeiht, wenn wir nunmehr von der »Harper Clinic« berichten, die – so weit wollen wir dem FBI entgegenkommen – natürlich nicht »Harper Clinic« heißt. Wir verraten auch nicht, wo sie sich befindet. Aber sie existiert, wir wissen, wo, und wir wissen auch, unter welchem richtigen Namen.
    Am 23. Oktober 1957 wurde Sowjetspion Abel schuldig gesprochen. Am 25. Oktober betraten zwei Besucher Edgar Hoovers Arbeitszimmer in seinem Amtssitz zu Washington: Thomas Lieven und

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