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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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blinzelte mit einem Auge. »Es handelte sich stets um Wettererkundungsmaschinen, die zufällig von ihrem Kurs abgekommen waren.«
    »Na klar. Aber was geschähe nun, wenn einer jener – hrm – Wetterpiloten zufällig abgeschossen würde?« erkundigte sich Thomas.
    Donovan sagte langsam: »Diese Wettermaschinen kenne ich. Sie können von der Fliegerabwehr niemals abgeschossen werden, sie fliegen viel zu hoch.«
    »Was nicht ist, kann noch werden. Außerdem gibt es, höre ich, seit einiger Zeit sehr präzise Raketen. Wenn eine solche Rakete nun einen solchen amerikanischen Wetterpiloten vom Sowjethimmel holt, und er überlebt dies und wird vor Gericht gestellt, und es handelt sich um einen Wetterpiloten, den Mr. Hoover gern wiedersehen würde … wäre es da nicht ein Jammer, wenn Mr. Abel dann schon das Zeitliche gesegnet hätte? Mit einer Leiche kann man keinen Handel treiben, meine Herren!«
    »Wirklich, Mr. Scheuner«, sagte Edgar Hoover mit erstickter Stimme, »Ihr Zynismus geht zu weit.«
    »Pardon, meine Herren. Ich sprach ja nur von einer Möglichkeit. Eine pure Hypothese …«
    Sehr langsam sagte der Anwalt: »Und wenn nun keiner unserer Wetterpiloten abgeschossen wird?«
    »Sehen Sie«, sagte Thomas freundlich, »jetzt verstehen wir uns endlich, Mr. Donovan. Ich könnte mir gut vorstellen, daß Mr. Abel sich dann aus purer Dankbarkeit entschließen würde, die Fronten zu wechseln und für den amerikanischen Geheimdienst zu arbeiten.«
    James B. Donovan fixierte Edgar Hoover: »Ist das auch Ihre Ansicht?«
    »Sie haben Mr. Scheuner gehört. Ich habe nichts hinzuzufügen.«
    Das Gesicht des Anwalts lief tiefrot an. »Wofür halten Sie mich eigentlich, Mr. Scheuner? Wofür halten Sie meinen Mandanten? Soll das ein Wink mit dem Zaunpfahl sein?«
    »Das«, sagte Thomas bescheiden, »ist ein Gebilde meiner Phantasie, Mr. Donovan, und sonst gar nichts.«
    »Auf so etwas wird mein Mandant
niemals
eingehen!« rief James B. Donovan.
    12
    Am 24. August 1957 erschien ein gewisser Peter Scheuner beim Direktor des New Yorker Untersuchungsgefängnisses. Er hatte von höchster Stelle die Erlaubnis, unter vier Augen mit Rudolf Iwanowitsch Abel zu sprechen. Der Direktor persönlich geleitete diese offenbar »Very Important Person« durch endlose Gänge zum Sprechzimmer. Dabei berichtete er, daß der Sowjetspion sich bereits der Sympathien des ganzen Hauses erfreue: »Die Roten werden sonst in Gefängnissen sehr schlecht von ihren Mithäftlingen behandelt. Aber nicht dieser Abel!« Der Direktor verdrehte die Augen. »Ich sage Ihnen: absoluter Liebling von jedermann! Er hat für die Häftlinge musiziert, ihnen Kabarett vorgespielt, er hat ein neues Verständigungssystem eingerichtet …«
    »Was hat er?«
    Der Direktor lachte verlegen. »Na, Sie wissen doch, wie die Häftlinge miteinander verkehren, wenn sie in den Zellen sitzen.«
    »Das gute alte Klopfsystem«, sagte Thomas, in sentimentale Erinnerung an eigene Zuchthauserlebnisse versinkend.
    »Abel hat unseren Gefangenen ein neues, besseres System erklärt, das hundertmal so schnell funktioniert!«
    »Und zwar wie?«
    »Das will ich nicht unbedingt verraten. Ich sage nur: über die Lichtleitung!«
    »Donnerwetter!« Thomas hob die Brauen. Er dachte: Die besten Geschäftspartner trifft man im Leben immer erst, wenn man mit ihnen absolut nichts mehr anfangen kann.
    Sie hatten das Sprechzimmer erreicht. Thomas trat ein. Hinter einer feinmaschigen Drahtwand stand, in einem eleganten Zivilanzug, Rudolf Iwanowitsch Abel. Er sah seinem Besucher ernst entgegen. Der Direktor gab den Justizbeamten im Raum einen Wink. Sie zogen sich mit ihm zurück. Die schweren Eisentüren schlossen sich.
    Durch eine Drahtwand getrennt, standen Thomas Lieven und der Sowjetspion Abel einander gegenüber. Lange blickten sie einander stumm an. Es war sehr still im Raum. Dann begann Thomas Lieven zu sprechen …
    Wir wissen nicht, was er sagte. Wir wissen nicht, was Abel antwortete. Abel hat darüber niemals gesprochen, und Thomas hat darüber niemals gesprochen. Die Unterredung dauerte 49 Minuten.
    Am 26. September 1957 begann der Prozeß gegen Rudolf Iwanowitsch Abel. Den Vorsitz führten Seine Ehren Richter Mortimer Byers. Die Verhandlung war hauptsächlich öffentlich.
    Mit einem Trick hatte Abel sich des Beistandes eines der besten Anwälte Amerikas versichert. Als man ihn aufforderte, einen Verteidiger zu wählen, erklärte er: »Ich habe kein Geld. Die 3545 Dollar, die bei mir

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