Es muß nicht immer Kaviar sein
Mädchenhandel. Paar Kameraden von mir hatten vor zwei Stunden ein Feuergefecht mit ihm. Sie hatten Glück. Er hatte Pech.«
»Ja, das sehe ich«, sagte der Arzt und betrachtete die Stelle, an welcher eine Pistolenkugel direkt über dem Herzen in die Brust von Lucky Campanello eingedrungen war.
Dieser Campanello hatte in seinem 47jährigen Erdenleben stets nur Böses getan und vom Bösen gelebt. Niemandem war er zur Freude gewesen, niemand hatte ihn geliebt, viele hatten ihn gehaßt. Er war ohne Verwandte. Und das setzte ihn in die Lage, nach seinem Tode doch noch eine große
positive
Rolle zu spielen – seine erste.
Nachdem der Arzt in Chikago mit ihm fertig war, wurde Lucky in einem Spezialbehälter nach Malta geflogen. Hier ankerte ein amerikanisches Schiff. Der Spezialbehälter wurde schnellstens vom Flugplatz aufs Schiff gebracht. Minuten später lief das Schiff aus.
Um Mitternacht des 20. November schlingerte das Schiff sanft auf der Höhe von Lissabon außerhalb der portugiesischen Hoheitsgewässer. Ein Beiboot wurde zu Wasser gelassen. Drei lebende Herren und ein toter Herr nahmen in ihm Platz. Das Boot drehte auf die Küste zu.
Am frühen Morgen des 21. November 1957 fanden dann spielende Kinder auf dem weißen Strand des Fischerdorfes Cascais vor Lissabon bunte Muscheln, Seesterne, halbtote Fische und einen toten Herrn …
Epilog
1
Ja, und wie ging die Geschichte weiter? Wie endet sie? Was ist aus Thomas Lieven und seiner Pamela geworden? Wer hat uns alle seine wüsten Abenteuer erzählt? Wie sind wir überhaupt in die Lage gekommen, über geheime und geheimste Begebenheiten unserer Zeit zu berichten?
Das sind viele Fragen. Wir können sie alle beantworten. Wenn es dazu auch leider nötig ist, daß ein Mann aus dem Schatten tritt, der von Berufs wegen in den Schatten gehört und immer im Schatten zu bleiben hat.
Dieser Mann bin
ich
. Ich, der Autor, der die Abenteuer und Rezepte des Geheimagenten Thomas Lieven für Sie aufgeschrieben hat.
Im Auftrag meines Verlages flog ich im August 1958 nach den USA . Ich sollte einen Monat drüben bleiben. Ich blieb vier. Ich sollte Material für einen Roman sammeln. Der Roman wurde nie geschrieben.
Aber die Geschichte, die Sie eben lesen, wurde geschrieben! Ich kam ihr drüben auf die Spur. Die Spur nahm ihren Ausgang – wie könnte es anders sein – bei einer hinreißend schönen Frau.
Aus guten Gründen kann ich den Namen der Stadt nicht nennen, in der ich diese Frau zum erstenmal sah. Es war milder Mittag im September. Ich hatte Hunger. Ein Reporterfreund hatte mir ein Feinschmeckerlokal empfohlen. Dorthin wanderte ich nun. Dann sah ich sie …
Sie ging vor mir. Auf hohen Absätzen. In einem engen beigefarbenen Kostüm. Sie hatte blauschwarzes Haar. Eine herrliche Figur. Mit Kurven. Wie eine Rennjacht.
Ich ging schneller. Ich überholte die Dame. Sie hatte einen großen roten Mund, große schwarze Augen, eine schöne Stirn.
Plötzlich war mein Hunger vergessen …
Meine geliebte Lulu möge mir verzeihen: Sie kennt die Männer und weiß, daß sie alle gleich und nichts wert sind, wenn man sie allein auf Reisen gehen läßt.
Den nächsten Kilometer Boulevard trieb ich mein frevelhaftes Spiel. Mal ging ich vor ihr, mal ließ ich sie vor mir gehen. Je länger ich sie sah, um so besser gefiel mir die Dame. – Verzeih mir, süße Lulu, verzeih mir, du weißt, ich liebe nur dich!
Die Dame merkte natürlich, was mit mir los war. Sie lächelte einmal kurz. Sie war nicht böse. Nette Damen sind nie böse. Sie ging nur etwas schneller. Ich auch.
Dann tauchte das Lokal vor uns auf, das mein Freund mir empfohlen hatte. Und dann geschah etwas Unerwartetes. Die aufregende Dame ging an dem Lokal nicht vorbei. Im Gegenteil: Sie ging hinein.
Also dann nichts wie hinterher, dachte ich und folgte ihr. Und hatte keine Ahnung von dem, was mich jenseits der Restauranttür erwartete!
In der kleinen Garderobe holte ich die wunderschöne Dame ein. Sie stand vor dem Spiegel und ordnete ihr Haar.
»Hallo«, sagte ich auf englisch.
Sie lächelte in den Spiegel hinein und sagte ebenfalls: »Hallo!« Ich verneigte mich und nannte meinen Namen. Dann sprach ich diese Worte: »Meine Dame, Sie müssen wissen, daß ich seit Geburt unter einer krankhaften Schüchternheit leide. Niemals zuvor habe ich auch nur im Traum daran gedacht, einen fremden Menschen anzusprechen.«
»In der Tat?« sagte sie und drehte sich um.
»In der Tat. Doch heute, als ich Sie
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