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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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konnte.
    »Haben einen Bekannten getroffen, was? Ich sah Sie drüben bei der Telefonzelle stehen.«
    »Einen alten Bekannten, ach ja! Und einen Konkurrenten von Ihnen, Herr Lehmann.«
    Auf der Terrasse des Restaurants brannten jetzt Dutzende von Windlichtern, und aus der Tiefe klang noch immer der kehlige, feierliche Gesang der Fischer. Sanfter Südwestwind blies von der Mündung des Tejo her, der in der Dämmerung die Farbe von rauchigem Perlmutter angenommen hatte.
    Loos wiederholte nervös: »Konkurrenten?«
    »Der Herr arbeitet für den ›Secret Service‹.«
    Loos schlug auf den Tisch und rief unbeherrscht: »Sie verfluchter Hund!«
    »Nicht doch«, sagte Thomas rügend, »nicht doch, Lehmann. Wenn Sie sich nicht manierlich benehmen können, werde ich Sie allein lassen!«
    Der Major nahm sich sehr zusammen. »Sie sind Deutscher. Ich appelliere an Ihr Vaterlandsgefühl …«
    »Lehmann, zum letztenmal: Sie sollen sich anständig benehmen!«
    »Kommen Sie mit mir zurück in die Heimat. Sie haben mein Ehrenwort als Abwehroffizier: Es geschieht Ihnen nichts! Am Ehrenwort eines Abwehroffiziers soll man nicht drehen und deuteln …«
    »Sondern es am besten von vornherein nicht glauben«, sagte Thomas sanft.
    Der Major schluckte schwer. »Dann verkaufen Sie mir die schwarze Tasche. Ich biete dreitausend Dollar.«
    »Der Herr aus London bietet jetzt schon das Doppelte.«
    »Und wieviel wollen Sie?«
    »Dämliche Frage. Soviel ich kriegen kann.«
    »Sie sind ein Schuft ohne Charakter.«
    »Ja, das hat Ihr Kollege auch eben konstatiert.«
    Von einem Moment zum anderen wechselte der Gesichtsausdruck des Majors. Er murmelte bewundernd: »Mensch, daß wir Sie nicht haben können …«
    »Wieviel, Lehmann, wieviel?«
    »Ich darf … Ich muß erst in Berlin rückfragen, neue Weisungen erbitten …«
    »Erbitten Sie, Lehmann. Erbitten Sie, und beeilen Sie sich. Mein Schiff läuft in ein paar Tagen aus.«
    »Sagen Sie mir nur eines: Wie haben Sie die Tasche ins Land gebracht? Sie wurden doch von den portugiesischen Zollbeamten bis auf die Haut durchsucht?«
    »Ich habe mich fremder Hilfe versichert.« Thomas Lieven dachte dankbar an sein scheues Rehlein. »Wissen Sie, Lehmann, für solche Tricks braucht man eine für Sie und Ihresgleichen unerschwingliche Kleinigkeit.«
    »Nämlich was?«
    »Nämlich Charme.«
    »Sie hassen mich, ja?«
    »Herr Lehmann, ich habe ein glückliches Leben geführt, ich war ein zufriedener Bürger. Sie und Ihre Kollegen aus England und Frankreich sind schuld daran, daß ich heute hier sitze. Soll ich Sie dafür lieben? Ich wollte mit euch nichts zu tun haben. Nun seht zu, wie ihr mit mir fertig werdet. Wo wohnen Sie?«
    »In der Casa Senhora de Fatima.«
    »Ich wohne im Hotel ›Palacio do Estoril-Parque‹. Der Herr aus London übrigens auch. Fragen Sie Ihren Chef, wieviel ihm die schwarze Tasche wert ist. Ihr Kollege fragte heute nacht seinen Chef … So, und jetzt will ich endlich essen!«
    2
    Die Nacht blieb warm.
    In einem offenen Taxi fuhr Thomas Lieven nach Lissabon zurück. Er sah, wie die mondbeschienenen Schaumkronen des Meeres sich an der Küste brachen, sah Luxusvillen am Rand der breiten Autostraße, sah dunkle Pinienwälder, Palmen und auf sanften Hügeln romantische Lokale, aus denen Frauenlachen und verwehte Tanzmusik zu ihm drangen.
    Vorbei an dem Modebadeort Estoril fuhr er, vorüber an dem lichterfunkelnden Spielkasino und den beiden großen Hotels.
    Europa versank in Schutt und Asche, mehr und mehr – aber hier lebte man noch wie im Paradies.
    In einem vergifteten Paradies, dachte Thomas Lieven, einem tödlichen Garten Eden, angefüllt mit den Reptilien vieler Nationen, die einander bespitzelten und bedrohten. Hier in Portugals Hauptstadt war ihr Treffpunkt. Hier machten sie sich wichtig und trieben ihr Unwesen zu Scharen, die Herren der sogenannten »Fünften Kolonnen«, diese Harlekine des Teufels …
    Im Herzen von Lissabon, auf dem prunkvollen Praça Dom Pedro, mit seinem schwarz-weißen Mosaikpflaster, stieg Thomas Lieven aus. Die Straßengärten der großen Kaffeehäuser, die den riesigen Platz säumten, waren noch immer voll besetzt von Einheimischen und Fremden.
    Mit gewaltigen Schlägen verkündeten die Kirchturmuhren ringsum die elfte Nachtstunde. Indessen die Glocken noch hallten, sah Thomas zu seiner Verblüffung, wie Portugiesen und Flüchtlinge aus Österreich, Deutschland, Polen, Frankreich, Belgien, der Tschechoslowakei, Holland und Dänemark zu Hunderten

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