Es muss nicht immer Mord sein
davon stand leer und zum Verkauf. Durch sie
waren wir überhaupt erst auf das Problem mit den Fundamenten gekommen. Costas,
dem der Waschsalon und der Rest des Hauses gehören, hatte einen Interessenten
für die Wohnung unter meiner gefunden, aber der ließ sie erst mal schätzen, und
im Bericht des Sachverständigen stand dann, daß die ganze Häuserzeile
allmählich absackte, worauf es sich der potentielle Käufer anders überlegte.
Die andere Wohnung, die im ersten Stock, war an
ein Paar vermietet, das erst kürzlich eingezogen war. Wir hatten uns noch nicht
kennengelernt, weil wir anscheinend unterschiedliche Arbeitszeiten hatten — mit
meinem neuen Job bei der Bank mußte ich früh aufstehen, und wenn ich aus dem
Haus ging, waren ihre Vorhänge stets noch zugezogen — aber ich hatte sie schon
ein paarmal miteinander streiten hören. Sie drohte fortwährend, ihn zu
verlassen, und ihm schien das wurscht zu sein. Sehr viel schlimmer wurde es
nicht, und da wir einen ungewöhnlich heißen Sommer hatten und ich nachts stets
die Fenster offenstehen ließ, bekam ich auch mit, wie sie dann später
ausführlich und überaus wortreich miteinander schliefen. Genaugenommen kannte
ich mich in ihrem Intimleben so gut aus, daß ich unweigerlich rot werden würde,
falls wir uns jemals auf der Treppe treffen sollten.
»Ich verlaß’ dich, du Scheißkerl«, schrie sie
erneut.
»Na prima, dann verpiß dich doch«, sagte er.
Die Tür knallte.
Oh wie herrlich, ein Single zu sein!
Allzulang konnte ich mir das nicht einreden.
Meine letzte Beziehung lag Ewigkeiten zurück, und allmählich hatte ich es satt.
Mit Achtundzwanzig sollte ich doch wohl in der Blüte meines Sexuallebens
stehen, statt an einem perfekten Sommerabend auf meiner Dachterrasse zu sitzen
und nichts als eine Flasche Soave aus dem Supermarkt zur Gesellschaft zu haben?
Bevor ich von dem Bauschaden erfuhr, hatten
meine Auslandspläne soviel von meiner Zeit in Anspruch genommen — tagsüber
studierte ich, abends arbeitete ich als Kellnerin in einer Pizzeria daß ich das
Fehlen einer Beziehung kaum bemerkt hatte.
Zum ersten Mal seit meiner Kindheit hatte ich
Kontakt mit meinem Vater — der jetzt in Paris lebte — gehabt, und ich hatte mir
vorgestellt, ihn en route zu meinem neuen Leben in Spanien oder Italien
zu treffen.
Ihn ausfindig zu machen, war eine der mühsameren
Übungen gewesen, weil er ein paarmal umgezogen war, seit ich das letzte Mal von
ihm gehört hatte. Mit diversen Leuten zu telefonieren, die ihn irgendwo gesehen
hatten, war zwar meinem Französisch zugute gekommen, hatte mich aber emotional
ziemlich ausgelaugt.
Als ich ihn schließlich aufgespürt hatte, war
seine Reaktion auf mich vorsichtig, wenn nicht gar ausgesprochen abweisend
gewesen. Wenn er mich besser (oder überhaupt) gekannt hätte, wäre ihm klar
gewesen, daß Herausforderungen mich sehr beharrlich werden lassen — stur, sagt
meine Mutter — und er mit einem überschwenglichen Willkommensgruß weit besser
gefahren wäre, wenn er mich denn nicht sehen wollte.
Ich hatte ihn kürzlich angerufen, um ihm mitzuteilen,
daß meine Pläne sich geändert hatten, und er hatte weder Erleichterung noch
Bedauern erkennen lassen, was bei mir ein reichlich flaues Gefühl verursachte.
Es war, als wäre ich ihm absolut egal, was irgendwie schlimmer war als eine
positive oder negative Reaktion.
Manchmal stieg die Wut, die ich darüber empfand,
ein Leben lang von ihm zurückgestoßen worden zu sein, mitten in der Nacht in
mir auf und ich heulte ganze Tränenfluten in mein Kopfkissen. Dann wieder
weckte sie den erschreckend ausgeprägten Wunsch zu zeigen, was in mir steckte.
Aber in letzter Zeit, merkte ich, hatte ich bloß noch auf vage Art die Nase
voll und fühlte mich gereizt.
»Ich verlaß’ dich, du Drecksack«, knurrte die
Frau im ersten Stock.
»Ja, prima, dann hau doch endlich ab, du gottverdammte,
dämliche Primadonna«, murmelte ich und trank mein Glas aus.
Ich beschloß, mich zu verwöhnen, indem ich
sämtliche Badeölfläschchen aus meiner Packung »Aromatherapie für Anfänger<
in eine einzige Wanne voll heißen Wassers goß. Darin aalte ich mich dann auch
ausführlich und sang dabei aus vollem Halse Roy Orbisons Greatest Hits mit.
Kapitel Drei
»Wowie! Wowie!« Mars
Tonic, der Mann, der meine Edinburgher One-Woman-Show gesehen und mich dann
gebeten hatte, mein Agent werden zu dürfen, begrüßte mich überschwenglich, als
ich zur Bar ging. »Sophie, setz dich
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