Es muss nicht immer Mord sein

gewesen, und abgesehen von der Politik — über die wir nicht
miteinander reden — kommen wir hervorragend miteinander aus.
    Es war mir nicht danach, die Feinheiten unseres
Familienlebens zu erklären, also saß ich bloß da, lächelte, strahlte ein
bißchen töchterliche Wärme aus und hoffte, daß ich bei alledem dem
Krankenpfleger meine Schokoladenseite zuwandte.
    »Ich glaube, wir haben gestern miteinander
telefoniert.« Er schien entschlossen, das Gespräch nicht abreißen zu lassen.
    »Oh... Ich habe gedacht, Sie wären Arzt.«
    »Na, na, da haben wir aber ein kleines
sexistisches Rollenklischee. Hier die Schwestern, dort die Ärzte.«
    »Überhaupt nicht!« protestierte ich.
    »Sie haben bloß noch nie einen Krankenpfleger
kennengelernt?«
    »Na ja, ich glaube nicht. Jedenfalls nicht
privat«, fügte ich albernerweise hinzu, als sei die Männerstation des Northwick
Park Hospital eine Art Weinbar.
    »Reg hat gesagt, Sie seien komisch. Jetzt
verstehe ich, was er meint.«
    Komisch in welchem Sinn des Wortes? Ich hatte
überhaupt nicht versucht, komisch zu sein, bloß höflich, aber ich kam nicht
mehr dazu, den Krankenpfleger darauf hinzuweisen, weil Reg aufzuwachen begann.
Er brauchte eine Weile, um wieder einen klaren Blick zu bekommen, aber als es
dann soweit war, erstrahlte sein Gesicht vor Freude, mich zu sehen. Es war ein
derart unwillkürliches Lächeln, daß ich gegen die Tränen ankämpfen mußte, die
mir in die Augen stiegen. Ich glaube, vor diesem Moment hatte ich mir nie
richtig eingestanden wie sehr ich Reg liebte oder wie besorgt mich das
Bewußtsein gemacht hatte, daß er gerade haarscharf am Tod vorbeigeschrammt war.
    »Sophie, wie geht’s?«
    »Prima. Aber wie geht es dir denn? Fühlst du
dich ein bißchen besser?«
    »Sehr viel besser, danke. Eigentlich topfit,
aber die Ärzte und mein Freund Dave hier« — er deutete auf den Krankenpfleger —
»sagen, ich muß es mal eine Weile eher gemütlich angehen lassen.«
    Ich versuchte mir vorzustellen, wie Reg irgend
etwas anderes tat. Rasenmähen mal ausgenommen, hatte ich ihn noch nie
irgendeine körperliche Aktivität ausüben sehen. Das Grundprinzip seines Lebens
(und dessen meiner Mutter) war Bequemlichkeit, und obschon meine Mutter es
irgendwie geschafft hatte, seit den 60er jah-ren ihre gertenschlanke Figur
beizubehalten, begann sich Regs Schwäche für Sherry und Fernsehen allmählich
rund um die Hüften abzuzeichnen.
    »Wie ist der neue Job?« fragte Reg.
    Ich legte mit einer Beschreibung der Bank los
(die ich weit attraktiver darstellte, als sie tatsächlich war) und begann ihm
dann von meinem Treffen mit Mars und dem alternden Zeitgeisttypen zu erzählen,
mit dem ich früher an diesem Abend im Groucho einen getrunken hatte. Ich bot
eine ziemlich beachtliche Vorstellung, und als ich atemlos zum Ende einer
Anekdote kam, wurde mir klar, daß ich nicht nur Reg aufzuheitern versuchte,
sondern auch eine hemmungslose Show abzog, um Dave zu beeindrucken, der
inzwischen mit den Bettlaken fertig war und mir mit verschränkten Armen zusah.
    »Das machen Sie bestimmt beruflich«, sagte er.
    »Tut sie«, sagte Reg stolz.
    »Na ja, nicht richtig«, sagte ich rasch. »Ich
mache bloß gelegentlich am Samstagabend eine Stegreifnummer in einem Pub.«
    »Ich hätte garantiert nichts dagegen, mir das
mal anzusehen«, sagte Dave. »Ist das ein Pub hier in der Nähe?«
    Ich versuchte, mir irgendeine der riesigen,
tristen Vorstadtkneipen in Harrow oder Pinner vorzustellen, von denen ich
wußte, daß dort gelegentlich Komiker auftraten.
    »Nein, in Islington.«
    »Na, dann müssen Sie mir erzählen, wo genau.
Entschuldigen Sie, aber ich muß meine Runde mit den Pillen machen. Die Jungs
brauchen bestimmt schon ihre Dröhnung.«
     
    »Gutaussehender Bursche«, bemerkte Reg und
beobachtete, wie mein Blick Dave folgte, als der durch das Krankenzimmer
davonging.
    »Ganz zweifellos«, sagte ich und fügte dann
rasch hinzu, »wenn man so was mag.«
    >So was< hatte dunkelbraunes Haar,
dunkelblaue Augen und perfekte Zähne. Es hatte außerdem ein Lächeln, das sexy,
aber arrogant war, ein bißchen wie Tom Cruise, das zwei Dinge zugleich zu sagen
schien, nämlich: »Ich würde dich gerne vögeln« und »Du würdest gerne von mir
gevögelt werden.« Normalerweise ziehe ich Männer vor, die nicht ganz so
überzeugt von sich wirken.
    »Er hat sich kürzlich von seiner Freundin
getrennt«, sagte Reg.
    »Oh, nein. Du versuchst mich doch nicht etwa zu
verkuppeln?« sagte ich