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Es muss nicht immer Mord sein

Es muss nicht immer Mord sein

Titel: Es muss nicht immer Mord sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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Betondschungel der City. Die Bänke waren alle
besetzt, aber ich fand ein stilles Eckchen und verbrachte, mit dem Rücken gegen
den Grabstein eines gewissen William Smithers und seiner teuren Gattin
Thomasine gelehnt, eine angenehme halbe Stunde, in der ich mich total in Dans
faszinierendem Bild der Glasgower Schwulenszene verlor und gelegentlich in ein
Käse- und Sellerie-Sandwich von Marks und Spencer biß.
     
    Als ich zurück in die Firma kam, informierte
mich Pat, daß der Computer ein paar Minuten zuvor abgestürzt war. Ich schrie
auf und rannte in mein Büro, weil mir zu spät klargeworden war, daß ich es am
Vormittag versäumt hatte, meine Arbeit abzuspeichern. Durch die
Rauchglasscheiben konnte ich Pats Gesicht nicht erkennen, aber ich wurde das
Gefühl nicht los, daß sie vor sich hinlächelte, während ich beim vergeblichen
Versuch, Martins Briefe zu laden, auf meiner Tastatur herumtippte.
    Ich schwor mir, das nicht noch einmal geschehen
zu lassen, und begann, die Schubladen meines Schreibtischs nach
Sicherungsdisketten zu durchsuchen. Die beiden obersten waren voller Bürokram.
Verbogene Büroklammern, bunte Blöckchen mit Haftnotizen, ein paar halbleere
Flaschen Tippex, die noch aus der Zeit vor Einführung des Computers stammen
mußten und inzwischen steinhart geworden waren, weil sie nie jemand richtig
zugeschraubt hatte, diverse eingetrocknete Kugelschreiber, ein paar
Markerstifte, die ich behielt, aber keine Disketten.
    Die unterste Schublade ragte ungefähr einen
Zentimeter vor. Ich hatte mir daran schon ein paar Laufmaschen gerissen, aber
obschon ich mit aller Kraft, die ich nur aufbringen konnte, am Griff gezogen
hatte, war es mir bislang nicht gelungen, sie zu öffnen. Vielleicht ging es ja
leichter, wenn ich auf gleicher Höhe mit dem Griff war. Ich legte mich auf den
Boden und zerrte.
    Martin wäre fast über mich gestolpert, als er
aus der Mittagspause zurückkam.
    »Was um Himmelswillen...?«
    »Frag mich gar nicht erst«, fuhr ich ihn an. Die
Schublade wollte immer noch nicht nachgeben.
    »Ich suche nach Disketten. Mir ist gerade alles
verlorengegangen, was ich heute vormittag getan habe.«
    »Ach du lieber Himmel«, sagte Martin. »Einen
Brief zu verlieren, mag als Unglück gelten, sie alle zu verlieren, ist fast
Schlamperei.«
    Er unterbrach sich mitten im Satz, als er sah,
daß ich das überhaupt nicht komisch fand.
    »Wie sehen diese Disketten denn eigentlich aus?«
    »Herrgott noch mal, hör’ endlich auf, dich wie
ein Idiot zu benehmen. Sie sind klein und viereckig und gewöhnlich aus grauem
Plastik. Du mußt doch mal irgendeine Computerschulung mitgemacht haben!«
    Martin ging in sein Büro und öffnete eine der
Schubladen seines Schreibtischs.
    »So wie die?« sagte er und zog ein frisches
Zwölferpäckchen heraus.
    »Ja.« Ich riß ihm die Disketten aus der Hand.
    Beim Hinsetzen trat ich kräftig gegen die
unterste Schublade. Sie sprang auf und knallte mir gegen den Knöchel.
    »Ich glaub’, diese Schublade hat es auf mich
abgesehen«, sagte ich. »Was soll ich mit dem ganzen Zeug machen?« fügte ich
hinzu und begann, Sachen herauszunehmen.
    Martin sah mir über die Schulter.
    »Warum räumst du es nicht alles aus? Wenn irgendwas
Persönliches darunter ist, schicken wir es an ihre Angehörigen.«
    Ich erschauderte. Mir war nicht wohl bei dem
Gedanken, die Habseligkeiten einer Toten zu durchstöbern.
     
    Der diverse Krimskrams sagte einiges über ihr
Leben aus. Ich erfuhr beispielsweise, daß sie auf ihr Gewicht geachtet hatte
(zwei Kartons mit fettarmer Tütensuppe, die eine mit Rindfleisch- und
Tomatengeschmack, die andere Spargelcreme mit Croutons; ein Päckchen zuckerfreier
Kaugummi), daß sie unter Blasenentzündung gelitten hatte (eine halbleere
Flasche doppeltkohlensaures Natrium), daß sie im Zeichen der Waage geboren war
(ein zerbrochener Schlüsselanhänger), daß sie von durchschnittlicher Eitelkeit
gewesen war und leicht geschwitzt hatte (ein bißchen matter Gesichtspuder und
ein Spiegel) und daß sie vorgehabt hatte, auf den Balearen Urlaub zu machen
(die Reiseprospekte waren dafür verantwortlich, daß die Schublade geklemmt
hatte). Außerdem gab es Mundspray, ein paar einzelne Kartons mit haltbarem
Orangensaft, eine abgelaufene Monatskarte für den Garten Eden , zwei
unsignierte Grußkarten zum Valentinstag (die Sorte, die ich hasse, mit putzigen
Tieren und >lustigen< Sprüchen) und einen kleinen, aber scheußlichen,
nackten Plastikgnom (ich hatte davon keinen

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