Es muss nicht immer Mord sein
mehr gesehen, seit ich in der Grundschule
gewesen war) mit einem Schopf aus purpurfarbenem Nylon.
Ich konnte mir nicht vorstellen, daß es die
Angehörigen sonderlich begrüßen würden, wenn man ihnen diese Dinge zustellte.
Bei dem Gnom überlegte ich eine Weile, entschied dann aber, daß er derart
geschmacklos war, daß er das Leid der gramgebeugten Verwandtschaft nur noch
vertiefen würde. Abgesehen von den Tütchen Diätsuppe mit Spargelgeschmack, die
ich so eben trinkbar finde, und dem Orangensaft warf ich alles andere in den
Papierkorb. Es schien abscheulich, jemandem auf der Basis eines Häufchens
banaler Besitztümer zu beurteilen, aber ich wurde das Gefühl nicht los, daß ich
Denise nicht sonderlich gemocht hätte.
Gegen Ende des Nachmittags kam ich gerade in
mein Büro zurück, nachdem ich Martins Briefe in alle Welt gefaxt hatte, als ich
das Telefon klingeln hörte.
»Können Sie der Zentrale nicht Bescheid sagen,
wenn Sie nicht in Ihrem Büro sind? Ihr Scheißtelefon geht mir aU f
den Wecker«, sagte der Händler, der mir am nächsten saß. Es waren die ersten
Worte, die er an mich gerichtet hatte, seit ich hier arbeitete. Ich funkelte
ihn an.
»Hallo. Sophie Fitt«, sagte ich und vergaß dabei
mein übliches melodisches Zwitschern.
Im Telefon war es still, und dann, als ich
gerade wütend auflegen wollte, sagte eine zaghafte Frauenstimme »Alles o.k.?«
»Ja, danke«, erwiderte ich und fragte mich, wer
das wissen wollte.
»Oh, gut«, sagte sie und legte den Hörer auf.
Ich begann die Ausdrucke der Briefe abzuheften,
die ich gerade versandt hatte und wunderte mich dabei, wer da angerufen hatte.
Die Stimme sagte mir nichts, aber sie hatte sich nicht vorgestellt, also ging
sie anscheinend davon aus, daß ich sie kennen müsse. Ganz unten im Stapel lag
die Aktennotiz, die ich am Morgen auf meinem Schreibtisch gefunden hatte, und
mir wurde klar, daß die Frau am Telefon Marie gewesen sein mußte, die
EDV-Beauftragte, die wissen wollte, ob bei mir nach der Computerpanne in der
Mittagspause wieder alles lief.
Den Rest der Woche hielt Martin mich ziemlich
auf Trab. Einmal arbeitete ich sogar die Mittagspause durch. Aber Pat schien
ich es einfach nicht rechtmachen zu können. Wenn ich hart arbeitete, fühlte sie
sich anscheinend von der Möglichkeit bedroht, daß ihr eine zweite
Büromärtyrerin ihre Position streitig machen könnte und erteilte mir jedesmal,
wenn wir uns auf dem Klo zufällig über den Weg liefen, freundliche Ratschläge
über die Gefahren der Sehnenscheidenentzündung. Kam ich mal ein paar Minuten zu
spät ins Büro, schaute sie unweigerlich auf die Uhrenreihe, die meine Saumseligkeit
in dreifacher Ausführung anzeigte.
Am Freitag rief mich Jools an und entschuldigte
sich, daß sie die ganze Woche über nicht im Fitneßclub gewesen war. Sie sagte,
die Stylistin habe entschieden, daß das untypische Sommerwetter ganz einfach zu
heiß sei, um Außenaufnahmen von Wintermode zu machen, also habe man sie
allesamt auf einen Landsitz in Norfolk verfrachtet, um dort die Innenaufnahmen
zu schießen. Es sei schon ein toller Schuppen, sagte sie, mit einem ummauerten
Garten und einem Swimmingpool im Freien, aber total hinter dem Mond gelegen,
und abends gäbe es nichts Besseres zu tun, als sich mit den anderen Models zu
streiten. Wir verabredeten uns für Montag in der Mittagspause.
Ich achte darauf, daß meine gesamte Arbeit am
Ende jeder Woche erledigt und abgeheftet ist. Das habe ich mir angewöhnt, seit
ich Zeitarbeit mache, weil ich häufig nur mal eine Woche lang für jemanden
einspringe, der krank geworden ist. Ich kann die Vorstellung nicht ertragen,
wie sie sich am Montag ins Büro quälen, noch total groggy, und auf ihrem
Schreibtisch ein Chaos vorfinden. Meine kleine Verbeugung vor der Solidarität
der arbeitenden Klasse bringt es allerdings mit sich, daß ich am Freitag öfters
Überstunden mache. Freitags macht jedermann in der City pünktlich dicht, und
die verlassenen Straßen wirken ein bißchen, als sei gerade die Neutronenbombe
gefallen.
Ich ging zur U-Bahn-Station Moorgate. Die
einzigen Anzeichen von Leben waren die Mischung aus dröhnendem Kneipenlärm und
Zigarettenrauch, die aus der Tür eines Pubs entwich wie ein kurzer Rülpser, und
ein einsamer Dekorateur, der stumm im Schaufenster eines
Damenbekleidungsgeschäfts arbeitete. Er hatte ein paar der Schaufensterpuppen
bereits die Sommerkleider und Shorts ausgezogen und sie in wärmere
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