Es muss nicht immer Mord sein
Ferien?« fragte ich.
»Yeah. Die waren ein solcher Erfolg, daß sie
nächstes Jahr ein zweites Zentrum in der Karibik eröffnen. Du mußt da auch
hinkommen. Du siehst aus, als hättest du Urlaub nötig.«
»Herzlichen Dank auch.«
»Nein, ich wollte nicht sagen... Ich meine, du
siehst großartig aus, aber hast du schon deinen inneren Frieden gefunden?«
»Oh, fang gar nicht erst an...«, sagte ich.
Stephanie ist ständig auf der Suche nach
jemandem, den sie zu einer Therapie bekehren kann, die sein Leben verändern
wird. Mir fiel allmählich wieder ein, warum wir uns eine Weile nicht gesehen
hatten. Ich finde Stephanie in höheren Dosen ein bißchen ermüdend.
»Ruf mich bald mal an«, sagte sie und bewegte
sich mit der geübten Leichtigkeit einer Empfangsdame weiter. »Und probier
unbedingt das Essen. Es ist makrobiotisch, aber das hat niemand gemerkt!«
Ich sah mich im Raum nach Donny um, der sich
lautlos davongemacht hatte, sobald Stephanie mit mir zu reden begonnen hatte.
Er stand ganz allein an der Tür und schaute trüben Blicks in die Menge.
»Ich fürchte, ich konnte es nicht über mich
bringen, dich zu retten, liebste Sophie«, sagte er. »Wer um alles in der Welt
ist diese Frau? Ich meine, Tofu und roher Fisch auf einer Präsentationsparty,
das darf doch nicht wahr sein.«
»Na ja, das ist besser als die üblichen Canapés,
oder?« entgegnete ich und schnappte mir einen Sushihappen von einem Tablett,
das gerade vorübergetragen wurde.
»Offensichtlich, meine Liebe. Deine Freundin hat
mich außerdem informiert, daß die Einwickelblätter aus Seetang dem Immunsystem
förderlich seien... Wie überaus aufmerksam von ihr... Natürlich hätte sie sich
die Mühe sparen können...«
Ich verspürte momentane Panik. Donny lallte
unüberhörbar, er redete von Immunsystemen, er würde doch nicht etwa gleich
verkünden, daß er AIDS hatte? Ich machte mich auf schlimme Nachrichten gefaßt.
»Die Mühe hätte sie sich sparen können. Ich bin
eine derartige Schwuchtel, daß die Leute immer glauben, ich sei gefährdet.
Selbst du, liebste Sophie, ich sehe, wie dir dieser besorgte Ausdruck übers
Gesicht huscht — glaub bloß nicht, daß mir das nicht auffällt — aber die
schreckliche Wahrheit ist...« — er legte eine bühnenreife Kunstpause ein — »daß
ich absolut langweilig und monogam bin. Ich habe niemals jemand anderen geliebt
als Daniel. In unserem Sexualleben geht es so gesetzt zu wie bei einem in die
Jahre gekommenen Ehepaar. Dieses schrecklichste aller Wörter — freundschaftlich.
Welch ein schreckliches Wort, Soph. Aber ich stelle mir Fragen über Dan. Er
schreibt über Promiskuität und Tod, und ich frage mich wirklich, Sophie, dir
kann ich das sagen, weil du eine Freundin bist... Weißt du, ich frage mich, ob
er dem Leser gegenüber vollkommen aufrichtig ist.«
»Oder dir gegenüber?« traute ich mich zu fragen.
Nach zehn Jahren Freundschaft und drei Glas
Champagner kann man so etwas sagen.
»Oder mir gegenüber«, seufzte Donny, und dann
schien er diesen Satz erst richtig zu erfassen und fuhr zusammen. »Du versuchst
doch nicht, mir irgendwas mitzuteilen, oder?« fragte er aufgeregt.
»Nein, tu ich nicht. Soweit ich weiß, hegt Dan
genau die gleichen Gefühle für dich. Erwünscht sich einfach, daß du nicht so
reizbar und kritisch werden würdest, wenn es um sein Werk geht. Er ist jetzt
ein berühmter Schriftsteller, Donny, und du wirst lernen müssen, damit
zurechtzukommen.«
»Du hast natürlich vollkommen recht.« Donny
seufzte erneut. Seine Augen wanderten zur Tür, und dann leuchteten sie
plötzlich auf. Ich folgte automatisch seinem Blick.
»Also dort, meine liebe Sophie, ist etwas, das
selbst mich aus meiner Altherren-Beschaulichkeit locken könnte...«
»Du meinst den hübschen Jungen, der gerade
reingekommen ist?« Ich war ganz damit beschäftigt, mich zu fragen, wie es Dave
wohl geschafft hatte, an der frostigen Türsteherin vorbeizukommen. »Dann träum’
mal schön weiter, Donny, weil der nämlich mir gehört.«
»Aber ich habe ihn zuerst gesehen...«, rief
Donny aus.
»Falsch. Ich hab’ ihn eingeladen.« Ich bahnte
mir einen Weg durch die Menge, um Dave zu begrüßen, der ein wenig verwirrt
aussah.
»Du hast einiges nachzuholen«, sagte ich und
drückte ihm ein Glas Champagner in die Hand. »Was hast du eigentlich erzählt,
damit sie dich reingelassen haben?« flüsterte ich.
»Ich glaube, sie hat mich für jemand anderen
gehalten«, sagte er. »Lang nicht
Weitere Kostenlose Bücher