Es muss nicht immer Mord sein
gesehen«, fügte er hinzu, als er die Arme um
mich legte und mich gründlich abküßte.
Ich wurde ein bißchen verlegen und wand mich
frei, aber als ich den neidischen Gesichtsausdruck des Mädchens an der Tür sah,
hakte ich mich bei Dave unter und beschloß, ein wenig anzugeben. Es war lange
her, daß ich mit irgend jemandem ausgewesen war, der bereit war, seine Zuneigung
für mich so öffentlich zu demonstrieren, und ich hatte vergessen, wie gut sich
das anfühlte.
Ich zog ihn quer durch den Raum, um ihn Dan
vorzustellen, der mit einem sehr großen, schlanken Mann sprach, der mit dem
Rücken zu uns stand.
»Dan«, unterbrach ich ihn, »ich möchte dir...«
Ich verstummte mitten im Satz. Dans Begleiter
hatte sich umgedreht und wandte mir nun das Gesicht zu. Obschon er sich den
Kopf rasiert und die verbliebenen Stoppeln blond gefärbt hatte, war er auf
Anhieb als Gregory Murtagh zu erkennen, die unerwiderte Liebe meines Lebens.
»Du hast dir die Haare abgeschnitten«, platzte
ich heraus.
»Hi, Sophie«, erwiderte er.
»Dan, das ist Dave«, sagte ich hastig, als mir
meine guten Manieren wieder einfielen. »Dave, Dan. Greg, Dave. Dave, Greg. Dan
— oh, ihr beiden kennt euch ja schon.« Ich fühlte mich völlig durcheinander.
»Ich hab’ noch nie einen Schriftsteller
getroffen«, sagte Dave und schüttelte Dan die Hand.
»Aber warum?« sagte ich zu Greg sobald ich das
Gefühl hatte, die anderen seien miteinander ins Gespräch gekommen und deutete
dabei auf seinen Kopf, der aussah wie helles Veloursleder.
»Ich spiele die Hauptrolle in dem Film nach Dans
erstem Roman«, sagte Greg. »Wir drehen im East End.«
Ich versuchte mir einzureden, daß er ohne Haare
weniger attraktiv aussah, aber wenn es überhaupt einen Unterschied machte, dann
den, daß es seine Augen größer und den dunklen Saum seiner Wimpern länger
erscheinen ließ. Aus der Zeit, als ihm seine langen, glänzenden schwarzen
Locken ins Gesicht gefallen waren, hatte er die Angewohnheit beibehalten, sich
mit der linken Hand über die Wange zu fahren, um die Haare hinter ein Ohr
zurückzustreichen. Aber nun, da es keine Haare zurückzustreichen gab, verlieh
ihm die Bewegung etwas seltsam und anrührend Verletzliches.
»Wohnst du immer noch in deinem Schmuckstück von
Penthouse-Wohnung?« fragte Greg.
»Ja«, sagte ich. »Und du? Immer noch in Dublin?«
»Die meiste Zeit. Mit der Filmindustrie geht’s
da drüben echt aufwärts.«
»Hab’ ich auch gehört«, sagte ich. »Und Maeve?«
Ich haßte mich dafür, aber ich konnte es nicht lassen, nach der Freundin zu
fragen, der er meinetwegen beinahe den Laufpaß gegeben hätte, bevor es zwischen
uns schiefging.
»Yeah«, antwortete er kryptisch. »Und Dave?«
sagte er dann und nickte in dessen Richtung.
Ich unterdrückte ein Kichern über den Reim, den
die Namen unserer jeweiligen Partner bildeten.
»Yeah« sagte ich und versuchte, so geheimnisvoll
zu klingen, wie er es getan hatte.
Dave beschrieb gerade Dan, der mit gut
gespieltem Interesse zuhörte, in bewegten Worten den Plot von Misery.
»Und das Gespenstische ist, daß es in Sophies
Leben momentan jemanden gibt, sie hat keine Ahnung wen, der immerzu...«
»Genaugenommen hat es aufgehört. Muß sich um
eine Verwechslung gehandelt haben«, unterbrach ich rasch und stieß Dave kräftig den Ellbogen in die
Rippen.
Da ich seit nunmehr einer Woche keinen einzigen
Anruf, geschweige denn eine Karte mehr bekommen hatte, war es mir ziemlich
peinlich, ein derartiges Theater gemacht zu haben, als ich Dan das letztemal gesehen
hatte.
»Dan, Schätzchen!!!« Dans Verlegerin, eine der
extravagantesten Frauen Londons, packte ihn beim Arm und zerrte ihn weg, um ihn
einem ihrer anderen Proteges vorzustellen. Sie erkannte mich nichtwieder,
obwohl ich früher in diesem Jahr eine Woche lang für sie als Aushilfssekretärin
gearbeitet hatte. Ich hatte eine Reihe von Zeitungsartikeln über ihr geniales
literarisches Gespür und ihre vehement feministischen Ansichten gelesen, aber
für ihre weiblichen Angestellten fiel keine dieser beiden Qualitäten
unmittelbar ins Auge. Ich schnitt ihrem davoneilenden Rücken eine Grimasse und
versuchte, die Konversation rund um mich mitzubekommen, ohne übermäßig
interessiert zu erscheinen.
»Ich hab’ noch nie einen Schauspieler
getroffen«, sagte Dave gerade.
Mir fiel auf, daß niemand »Ich hab’ noch nie
einen Krankenpfleger getroffen« gesagt hatte, als er ihnen erzählte, was er so
tat. Sie schauten ihn nur
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