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Es muss nicht immer Mord sein

Es muss nicht immer Mord sein

Titel: Es muss nicht immer Mord sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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Perücke, rauchte eine Zigarette nach der anderen und erzählte
fortwährend schlüpfrige Witze. Sie und ihr Mann hatten in Hounslow eine große
Kneipe geführt, aber er war früh gestorben, und sie hatte das Geld von der
Versicherung dazu verwendet, das heruntergekommene Ferienlager zu kaufen, das
von seinen Stammgästen verlassen worden war, als diese entdeckten, daß sie in
Spanien Sonnenschein für den gleichen Preis bekommen konnten, den sie in
England für Regen bezahlten. Sie habe schon immer am Meer leben wollen, sagte
sie, und sie hatte für das Camp Möglichkeiten gesehen, die jedermann sonst
entgangen waren. Sie beherbergte ausschließlich Gruppen von Behinderten.
    »Das ist ideal, wißt ihr«, sagte sie, als sie
uns zu einem der Bungalows brachte, die um das Hauptgebäude verteilt waren.
»Alles zu ebener Erde, und es gibt keine Treppen.«
    Dave kam einmal im Monat für ein Wochenende
vorbei, wenn ihr regulärer Pfleger und Gehilfe sein freies Weekend hatte.
    »Keine Sorge, Schätzchen«, sagte Norma und
zwinkerte mir zu. »Ich nehme ihn schon nicht zu hart ran. Ich brauch’ bloß ein
bißchen Hilfe, um sie alle in den Speisesaal zu kriegen, und danach — wenn du
auch kommen willst — haben wir einen Country- und Western-Abend.«
    Ich hatte zuvor nie viel mit Behinderten zu tun
gehabt und war zuerst nervös, aber Dave zuzusehen, wie er jedermann vollkommen
normal behandelte und genau abschätzte, wann Hilfe nötig war, ohne jemals
irgend jemandes Würde zu verletzen, war mir eine lehrreiche Erfahrung. Ich
entspannte mich bald, und wir hatten einen ausgelassenen Abend, der damit
endete, daß Norma und ich Islands in the Stream sangen, mit mir als
etwas piepsigem Kenny Rogers und Norma als einer geborenen Dolly Parton.
     
    Am Samstag fuhr Dave mich auf der Insel herum.
Es war in den letzten Tagen so heiß gewesen, daß ein Hitzeschleier es unmöglich
machte, das Festland zu sehen. Ich fühlte mich, als wären wir in einer
Zeitfalte geborgen. In den kleinen Küstenstädtchen schien sich seit den
sechziger Jahren nichts verändert zu haben. Teestuben boten noch immer solch
altmodische Sachen wie Zimttoast und die Eisbecher an, die mir von Ferien mit
Mutter her noch als Leckerei im Gedächtnis waren.
    An diesem Abend war Tanz in der Scheune. Ich
hätte mir nie vorstellen können, einen schwungvollen Squaredance mit einem
Partner im Rollstuhl hinzulegen, bis ich mich dann eben dabei wiederfand.
    Später kehrten Dave und ich in unseren Bungalow
zurück. Wir glühten von einem Tag an der Seeluft und der abendlichen Tanzerei
und fielen mit einem Hunger aufeinander ins Bett, den wir zuvor nicht verspürt
hatten.
    In dieser Nacht wurde ich so hingerissen von
herrlichen Empfindungen, daß ich mich dabei erwischte, »ich liebe dich« sagen
zu wollen, weil »das fühlt sich so gut an« nicht hinreichend zu beschreiben
schien, wie wunderbar es sich denn tatsächlich anfühlte. Ich schaffte es, mich
zurückzuhalten. Mein tückischer Körper hat mich diese drei verhängnisvollen
Wörter zu diversen Männer sagen lassen, während wir miteinander im Bett waren,
und es führt jedesmal zu einer Katastrophe. Ganz egal, wieviel man hinterher
über die beschränkte Sprache der Sexualität schwätzt und betont, so habe man es
ja nicht gemeint — sie glauben einem nie.
    Es war schwer abzuschätzen, was Dave empfand. Er
schien ein ungewöhnlich ausgeglichenes Temperament zu besitzen, und ich hatte
ihn noch nicht einmal wütend oder traurig oder übellaunig oder gar aufgeregt
erlebt. Für jemanden, der derart Stimmungsschwankungen unterliegt wie ich,
konnte es schwierig sein, damit zurechtzukommen, und ein- oder zweimal mußte
ich mich davon abhalten, eine Reaktion von ihm zu provozieren.
     
    Auf dem Rückweg nach London sagten wir beide
nicht viel. Es war fast, als wollten wir ein perfektes Wochenende nicht
verderben. Dave setzte mich zu Hause ab. Er wollte direkt weiter zur Arbeit.
Wir küßten uns flüchtig im Auto, und ich winkte ihm nach, als er den Hügel hoch
davonfuhr.
     
    Das Blinklämpchen meines Anrufbeantworters
zeigte, daß zwei Nachrichten Vorlagen. Als ich sie abhörte, stellte sich
heraus, daß beide Male aufgehängt worden war, aber die stummen Passagen hatten
etwas Beunruhigendes an sich, so als habe der Anrufer gewartet und gelauscht,
bevor er den Hörer auflegte. Die Anrufe hätten von irgend jemandem kommen
können — einem Freund, jemandem, der sich verwählt hatte — , aber ich war mir
absolut sicher,

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