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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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A-A-Asthma-Spray ist l-leer. E-Er k-k-könnte st-st-t-t…«
    Sein Gesicht lief vor Anstrengung rot an. Er stotterte wie ein Maschinengewehr an dem Wort herum. Speichel flog ihm von den Lippen, und es dauerte fast dreißig Sekunden, bis Ben verstand, dass Denbrough sagen wollte, dass der Junge sterben könnte.

Kapitel fünf
     
    Bill Denbrough schlägt den Teufel – I
     

1
     
    Bill Denbrough denkt: Das ist ja schon der reinste Weltraumflug. Ich könnte ebenso gut in einer Kanonenkugel reisen.
    Dieser Gedanke ist zwar durchaus wahr, aber er findet ihn nicht sehr tröstlich. Tatsächlich hat er in der ersten Stunde nach dem Start der Concorde von Heathrow einen leichten Anfall von Klaustrophobie. Das Flugzeug ist schmal – beängstigend schmal. Das Essen ist beinahe vorzüglich, aber die Stewardessen müssen sich krümmen und winden beim Servieren; sie sehen wie eine Gruppe Turnerinnen aus. Diesen angestrengten Dienst zu beobachten, nimmt Bill etwas von der Freude am Essen, aber seinem Sitznachbarn scheint es nicht viel auszumachen.
    Dieser Sitznachbar ist ein weiteres Manko. Er ist dick und nicht besonders sauber: Er mag Ted-Lapidus-Parfum auf die Haut geschüttet haben, aber darunter nimmt Bill den unverwechselbaren Geruch von Schweiß und Dreck wahr. Auf seinen linken Ellbogen passt er auch nicht besonders auf. Ab und zu rempelt er Bill leise klatschend an.
    Er sieht immer wieder zu der Digitalanzeige im vorderen Teil der Kabine. Sie zeigt an, wie schnell diese britische Kanonenkugel fliegt; der Höchstwert liegt knapp über Mach 2. Bill nimmt den Stift aus der Hemdtasche und drückt damit auf die Tasten der Digitaluhr, die ihm Audra letztes Weihnachten geschenkt hat. Wenn der Geschwindigkeitsmesser stimmt – und Bill hat keinen Grund zu der Annahme, dass es nicht so ist -, rasen sie gerade mit einer Geschwindigkeit von über tausendsiebenhundert Kilometern pro Stunde durch die Luft. Er ist sich nicht sicher, ob er das so genau wissen wollte.
    Vor dem Fenster, das so klein und dick wie in einer der alten Mercury-Raumkapseln ist, kann er einen Himmel sehen, der nicht blau ist, sondern purpurn und dämmerig, obwohl es erst Mittag ist. Dort, wo Meer und Himmel zusammentreffen, kann er den leicht gekrümmten Horizont sehen. Ich sitze hier, denkt Bill, eine Bloody Mary in der Hand, während mich der Ellbogen eines schmutzigen Mannes anrempelt, und betrachte die Erdkrümmung.
    Er lächelt und denkt, ein Mann, der das ertragen kann, sollte vor nichts Angst haben. Aber er hat Angst, nicht nur, weil er mit über tausendsiebenhundert Kilometern pro Stunde in dieser schmalen, zerbrechlichen Hülle fliegt. Er kann fast spüren, wie Derry ihm entgegenrast. Und genau das ist der richtige Ausdruck dafür. Tausendsiebenhundert Kilometer pro Stunde hin oder her, er hat genau das Gefühl, dass er vollkommen reglos ist, während Derry wie ein großes Raubtier auf ihn zurast, das lange gelauert hat und endlich aus seiner Deckung hervorgebrochen ist. Derry, ah, Derry! Sollen wir eine Ode an Derry schreiben? Über den Gestank seiner Fabriken und Flüsse? Die würdige Stille seiner Alleen? Die Bücherei? Den Wasserturm? Bassey Park? Die Derry-Elementary-Schule?
    Die Barrens?
    In seinem Kopf gehen Lichter an: große Scheinwerfer. Ihm ist, als hätte er siebenundzwanzig Jahre in einem dunklen Kino gesessen und gewartet, dass etwas passiert, das nun endlich beginnt. Aber die Kulisse, die langsam, aber sicher von einer Glühbirne nach der anderen erhellt wird, ist nicht harmlos wie die von Arsen und Spitzenhäubchen, Bill Denbrough findet, sie sieht eher nach Das Kabinett des Dr. Caligari aus.
    Die vielen Geschichten, die ich geschrieben habe, denkt er mit einer Art alberner Begeisterung. Die vielen Romane. Sie kommen alle aus Derry; Derry war ihr Ursprung. Sie kommen aus diesem Sommer und von dem, was George im Herbst davor zugestoßen ist. Alle Interviewer, die mir jemals DIE FRAGE gestellt haben … ich habe ihnen die falsche Antwort gegeben.
    Der Ellbogen des dicken Mannes rempelt ihn wieder an, er verschüttet etwas von seinem Drink. Bill sagt fast etwas, überlegt es sich dann aber anders.
    DIE FRAGE war natürlich: »Woher haben Sie Ihre Einfälle?« Es war eine Frage, vermutete Bill, die alle Schriftsteller beantworten mussten – oder vorgeblich beantworten mussten -, und zwar mindestens zweimal pro Woche, aber Leute wie er, die über Sachen schrieben, die es nie gab und nie geben würde, mussten sie viel häufiger beantworten

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