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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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– oder so tun – als andere.
    »Alle Schriftsteller haben eine direkte Leitung ins Unterbewusstsein«, hatte er ihnen gesagt und dabei verschwiegen, dass er die Existenz eines Unterbewusstseins von Jahr zu Jahr mehr anzweifelte. »Aber Männer oder Frauen, die Horror schreiben, haben eine Verbindung, die noch weitaus tiefer reicht … vielleicht in das Unter-Unterbewusstsein, wenn Sie so wollen.«
    Elegante Antwort, aber er hatte sie nie selbst geglaubt. Unterbewusstsein? Nun, da unten war etwas, das war schon richtig, aber Bill fand, die Leute machten viel zu viel Aufhebens um eine Funktion, die wahrscheinlich das geistige Äquivalent von Tränen war, wenn einem Staub ins Auge geriet, oder Darmwind etwa eine Stunde nach einem guten Essen. Der zweite Vergleich war wahrscheinlich der bessere von beiden, aber das konnte man Interviewern natürlich nicht gut sagen – dass man der Meinung war, Träume und vage Sehnsüchte und Empfindungen wie ein Déjà – vu – Erlebnis waren nichts weiter als ein paar geistige Fürze. Aber sie schienen etwas zu brauchen, diese Journalisten mit ihren Notizblöcken und kleinen japanischen Kassettenrekordern, und Bill wollte ihnen, so gut er konnte, helfen. Er wusste, Schreiben war ein harter Job, ein verdammt harter Job. Man musste ihn nicht noch härter machen, indem man sagte: »Mein Freund, ebenso gut könnten Sie mich fragen: ›Wer hat die Löcher in den Käse gemacht?‹« und es dabei bewenden ließ.
    Jetzt dachte er: Du hast immer gewusst, dass sie die falschen Fragen gestellt haben, auch bevor Mike angerufen hat; jetzt weißt du auch, was die richtige Frage war. Nicht woher hat man seine Einfälle, sondern warum hat man seine Einfälle. Es gab eine Verbindung, schon richtig, aber nicht zur freudschen oder jungschen Version des Unterbewusstseins; kein inneres Abwassersystem des Geistes; keine unterirdische Höhle voller Morlocks. Am anderen Ende dieser Verbindung war nur Derry. Nur Derry. Und …
    … und wer trippelt und trappelt da über meine Brücke?
    Er setzt sich mit einem Ruck aufrecht hin, und diesmal ist sein Ellenbogen an der Reihe: Er bohrt sich einen Augenblick lang tief in die Fettschicht seines Sitznachbarn.
    »Passen Sie doch auf, Mann!«, knurrt der Fette. »Bleiben Sie mir mit Ihrem Ellenbogen vom Leibe!«
    »Halten Sie Ihren von meinen Rippen fern, dann h-halt ich meinen von Ihrem Wanst f – fern«, sagt Bill, und der Fette wirft ihm einen vernichtenden Blick zu. Bill hält diesem Blick ruhig stand, bis der Fette sich murrend abwendet.
    Wer ist da?
    Wer trippelt und trappelt über meine Brücke?
    Er blickt wieder aus dem Fenster und denkt: Wir schlagen den Teufel!
    Er verspürt ein Prickeln in den Armen und trinkt den Rest seines Drinks in einem Zug aus. Noch ein Licht ist angegangen.
    Sein Fahrrad fällt ihm ein – »Silver« hatte er es genannt, nach dem Pferd von Lone Ranger. Ein großes 28er Fahrrad Marke Schwinn. »Du wirst dir damit den Hals brechen, Billy«, hatte sein Vater gesagt, aber ohne aufrichtige Sorge in der Stimme. Seit Georges Tod zeigte er für wenig echte Sorge. Vorher war er hart gewesen. Gerecht, aber hart. Seither hatte er nachgelassen. Er machte väterliche Gesten, erfüllte väterliche Pflichten, aber mehr als Gesten und Pflichterfüllung war es nicht. Es war, als würde er immer lauschen, ob George wieder ins Haus kommen würde.
    Bill hatte es im Schaufenster des Fahrradgeschäfts in der Center Street gesehen. Es lehnte düster auf dem Klappständer, größer als das größte andere Rad im Fenster, stumpf, wo sie glänzend waren, gerade an Stellen, wo die anderen Kurven hatten. An den Vorderreifen war ein Schild gelehnt:
    GEBRAUCHT
Machen Sie ein Angebot.
    Tatsächlich war es so gewesen, dass Bill hineingegangen war und sich vom Besitzer selbst ein Angebot hatte machen lassen, das er angenommen hatte – er hätte nicht einmal gewusst, wie er mit dem Inhaber hätte feilschen sollen, wenn sein Leben davon abhängig gewesen wäre, und der Preis, den der Mann nannte – vierundzwanzig Dollar -, kam Bill fair vor; sogar großzügig. Er bezahlte Silver mit Geld, das er in den vergangenen sieben oder acht Monaten gespart hatte – Geburtstagsgeld, Weihnachtsgeld, Geld fürs Rasenmähen. Das Fahrrad im Schaufenster war ihm schon an Thanksgiving aufgefallen. Er hatte es bezahlt und es nach Hause gefahren, sobald der Schnee geschmolzen war. Eigentlich sonderbar, denn bis dahin hatte ihm nichts an einem Fahrrad gelegen. Es schien ihm

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