Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
auch mit siebenunddreißig Jahren noch »einen Kracher ablassen kann«.
    Rich beginnt zu lachen. Zuerst schmunzelt er nur, und dann kommt ihm sein lächerliches Benehmen voll zu Bewusstsein – hier steht er in der Morgendämmerung in Maine, fünftausendfünfhundert Kilometer von seinem Wohnort entfernt, und brüllt mit der Stimme-des-irischen Bullen ein Reh an. Das Schmunzeln wird zum Kichern, das Kichern wird zum schallenden Gelächter, und schließlich lacht er Tränen, während er sich an seinem Auto festhalten muss und schon befürchtet, sich gleich in die Hosen zu machen. Jedes Mal, wenn er sich gerade ein wenig unter Kontrolle gebracht zu haben glaubt, fällt sein Blick auf das kleine Häuflein Kot, und er bekommt einen neuen hysterischen Lachanfall.
    Schnaubend und immer noch kichernd steigt er schließlich wieder in den Mustang und lässt den Motor an. Ein mit Kunstdünger beladener Lastwagen braust in einer Staubwolke vorbei. Danach fährt Richie los, auf Derry zu; er fühlt sich jetzt besser, er hat sich wieder unter Kontrolle … vielleicht liegt das aber auch nur daran, dass er sich wieder vorwärtsbewegt, Kilometer zurücklegt.
    Seine Gedanken schweifen wieder zurück zu Mr. Nell und jenem Tag am Damm. Er hört Mr. Nell fragen, wer von ihnen der Schlaumeier gewesen sei, der sich dieses Ding ausgedacht habe. Er sieht sich selbst und die anderen dastehen und unbehaglich Blicke wechseln, und er erinnert sich genau, wie Ben schließlich vortrat, mit bleichen Wangen und gesenkten Augen; sein Gesicht zitterte vor Anstrengung, nicht in Tränen auszubrechen. Der arme Kerl dachte vermutlich, dass ihm fünf bis zehn Jahre Gefängnis blühten, weil er die Kanalisation in der Witcham Road durch einen Rückstau zum Überfluten gebracht hatte, denkt Richie jetzt, aber er bekannte sich trotzdem dazu. Er übernahm die Verantwortung. Und indem er das tat, zwang er sie alle irgendwie dazu, sich auch zu dieser Tat zu bekennen. Andernfalls wären sie schlechte Kameraden gewesen. Feiglinge. All das, was ihre Fernsehhelden nicht waren. Und das hatte sie zusammengeschweißt, für gute und für schlechte Zeiten. Es hatte sie offenbar für siebenundzwanzig Jahre oder noch länger zusammengeschweißt. Manchmal sind Ereignisse wie Dominosteine. Der erste stößt den zweiten um, der zweite den dritten, und los geht’s.
    Wann, fragt sich Richie, war es zu spät umzukehren? Als er und Stan aufgekreuzt waren und geholfen hatten, den Damm zu bauen? Als Bill ihnen gezeigt hatte, wie das Bild seines Bruders den Kopf gedreht und ihm zugezwinkert hatte? Vielleicht … aber Rich Tozier glaubt, die Dominosteine haben angefangen zu kippen, als Ben Hanscom vorgetreten ist und gesagt hat: »Ich habe ihnen gezeigt

2
     
    wie man es machen muss. Es ist meine Schuld.«
    Mr. Nell stand nur da und starrte ihn an, die Lippen zusammengepresst, die Hände an seinem schwarzen Ledergürtel. Er sah von Ben zu dem größer werdenden Teich hinter dem Damm und wieder zu Ben, so als könnte er das alles nicht glauben. Er war ein stämmiger Ire, mittelgroß, in blauer Uniform. Sein Haar, das schon vorzeitig ergraut war, lag in ordentlichen Wellen zurückgekämmt hinter der blauen Mütze. Er hatte blaue Augen und eine rote Nase. Auf seinen Wangen prangten geplatzte Äderchen. Obwohl er nur mittelgroß war, hatten die fünf Jungen vor ihm das Gefühl, sie müssten mindestens zweieinhalb Meter zu ihm hochschauen.
    Er setzte gerade zum Sprechen an, als Bill Denbrough ebenfalls vortrat und sich neben Ben stellte.
    »Es w-w-war m-m-m-m-meine Idee«, stammelte er. Dann holte er tief Luft, und während Mr. Nell dastand, ihn mit unbewegter Miene anschaute und die Sonne sein Abzeichen zum Funkeln brachte, stotterte Bill mühsam hervor, was er noch zu sagen hatte: dass Ben nur zufällig vorbeigekommen sei und ihnen gezeigt habe, wie man es richtig machen müsse. Sie seien aber schon vorher damit beschäftigt gewesen, einen Damm zu bauen.
    »Ich auch«, sagte Eddie abrupt und stellte sich ebenfalls neben Ben.
    »Was heißt dieses ›ich auch‹?«, fragte Mr. Nell mit leichtem irischen Akzent. »Ist das dein Name oder deine Adresse?«
    Eddie errötete heftig bis zu den Haarwurzeln. »Ich war mit Bill zusammen«, erklärte er. »Noch bevor Ben kam. Das wollte ich damit sagen.«
    Nun trat auch Richie vor und stellte sich neben Eddie. Ihm fiel plötzlich ein, Mr. Nell mit einer seiner Stimmen aufzuheitern, ihn auf andere – fröhliche – Gedanken zu bringen, aber nach

Weitere Kostenlose Bücher