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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Bürgermeister große Töne, dass demnächst die Kansas Street gepflastert würde, aber erst 1942 kam es dann tatsächlich dazu. Es … aber wovon habe ich eben gesprochen?«
    »Sie sagten, in der Innenstadt hätten damals etwa zwanzigtausend Leute gewohnt«, sagte ich.
    »Ach ja. Nun, von diesen zwanzigtausend dürfte inzwischen die Hälfte gestorben sein, vielleicht sogar mehr – fünfundfünfzig Jahre sind eine lange Zeit, und außerdem sterben in Derry komischerweise sehr viele Leute in jungen Jahren. Vielleicht ist die Luft schuld daran. Aber von denen, die noch am Leben sind, würde kaum mehr als ein Dutzend zugeben, in der Stadt gewesen zu sein, als die Bradley-Bande zur Hölle fuhr. Metzger Rowden drüben vom Fleischmarkt würde es wahrscheinlich zugeben – er hat immer noch ein Foto von einem der Wagen der Gangster an jener Wand hängen, wo er Fleisch schneidet. Wenn du das Foto sehen würdest, kämest du kaum darauf, dass es sich um ein Auto handelt. Charlotte Littlefield würde dir wohl auch einiges erzählen, wenn du nett fragtest. Sie unterrichtet drüben an der Highschool. Sie kann damals nicht viel älter als zehn oder zwölf gewesen sein, aber sie erinnert sich an sehr vieles. Carl Snow … Aubrey Stacey … Eben Stampnell … und der alte Mummelgreis, der diese komischen Bilder malt und die ganze Nacht im Wally’s säuft – Pickman heißt er, glaube ich. Sie würden sich noch erinnern. Sie waren alle dabei …«
    Er verstummte und betrachtete die Lakritzstange in seiner Hand. Ich überlegte, ob ich ihn durch Fragen zum Weiterreden bringen sollte, unterließ es jedoch lieber.
    Schließlich sagte er: »Die meisten anderen aber würden lügen, ebenso wie jene Leute, die behaupten, dabei gewesen zu sein, als Bobby Thompson seinen Homerun gemacht hat. In jenem Fall logen sie, weil sie wünschten, sie wären dabei gewesen. Was aber jenen Tag in Derry angeht, so würden die Leute dich anlügen, weil sie sich wünschen, nicht dabei gewesen zu sein. Verstehst du mich, mein Junge?«
    Ich nickte.
    »Bist du dir wirklich sicher, dass du diese Geschichte hören willst?«, fragte Mr. Keene. »Du siehst ein bisschen blass aus, Mr. Mikey.«
    »Ich will sie nicht hören«, sagte ich, »aber trotzdem sollte ich sie mir anhören, glaube ich.«
    »Okay«, sagte Mr. Keene leise. Es war mein Tag der Erinnerungen. Als er mir das Apothekerglas mit den Lakritzstangen anbot, erinnerte ich mich plötzlich an eine Radiosendung, die ich mir als Kind immer zusammen mit meinen Eltern angehört hatte: Mr. Keene sucht Vermisste.
    »Der Sheriff war an jenem Tag in der Stadt. Er hatte vorgehabt, auf die Vogeljagd zu gehen, aber er änderte seine Meinung verdammt rasch, als Lal Machen ihm erzählte, dass er für den Nachmittag Al Bradley in Derry erwartete.«
    »Woher wusste Machen das?«, fragte ich.
    »Nun, das ist ebenfalls eine sehr lehrreiche Geschichte«, sagte Mr. Keene mit jenem zynischen Lächeln. »Bradley war auf der Hitparadenliste des FBI nie der Staatsfeind Nr. 1; aber seit 1928 stand er auf allen Fahndungslisten. Al Bradley und sein Bruder George überfielen sechs oder sieben Banken im Mittelwesten, und schließlich entführten sie einen Bankier und verlangten Lösegeld. Das Lösegeld wurde gezahlt – dreißigtausend Dollar, eine hohe Summe für jene Zeit -, aber sie brachten den Bankier trotzdem um.
    Nun, der Mittelwesten wurde um diese Zeit für die dort agierenden Banden ein ziemlich heißes Pflaster. Die Bradley-Bande begab sich deshalb nach Maine und bezog Quartier in einem alten Bauernhaus an der Stadtgrenze von Newport … nicht weit von der Stelle, wo heute die Rhulin-Farm ist.
    Na ja, das war in den Hundstagen 1929, im Juli oder August, vielleicht auch Anfang September, so genau weiß ich’s nicht mehr. Als die Bande in jenes Haus in Newport zog, waren sie zu acht – Al Bradley, George Bradley, Joe Conklin mit seinem Bruder Cal, ein Ire namens Arnold Malloy, der den Spitznamen ›Creeping Jesus‹ Malloy hatte, weil er kurzsichtig war, seine Brille aber nur aufsetzte, wenn es unbedingt notwendig war, da sie sein gutes Aussehen beeinträchtigte, außerdem noch Patrick Caudy, ein junger Bursche aus Chicago, der schön wie Adonis war, aber überaus mordlustig gewesen sein soll. Sie hatten auch zwei Frauen bei sich, Kitty Donahue, die mit George Bradley offiziell verheiratet war, und Marie Hauser, die zu Caudy gehörte, manchmal aber auch herumgereicht wurde.
    Sie gingen von einer verhängnisvoll falschen

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