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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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konnte er vielleicht tun … aber jetzt brannte heiße Wut in seinem Herzen. Er konnte noch verstehen, dass Henry ihn jagte, wenn sich ihm irgendeine Gelegenheit dazu bot, aber Mr. Chips …? Was hatte Mr. Chips ihm getan? Mein HUND war doch kein Nigger, du verdammter Scheißbastard, dachte Mike beim Rennen und geriet immer mehr in Rage.
    Er hörte plötzlich die Stimme seines Vaters: Ich will nicht, dass du dein Leben mit Davonrennen verbringst … und das bedeutet, dass du dir sorgfältig überlegen musst, wo Widerstand sich lohnt. Du musst dich fragen, ob es überhaupt etwas bringt, sich mit Henry Bowers anzulegen …
    Mike war bisher geradeaus auf die Lagerschuppen am Ende des Bahnhofsgeländes zugerannt, das durch einen weiteren Maschendrahtzaun hinter den Schuppen von den Barrens getrennt wurde. Mike hatte vorgehabt, über den Zaun zu klettern und ins Dickicht hinabzuspringen. Aber nun machte er plötzlich eine scharfe Wendung nach rechts, in Richtung Kiesgrube.
    Bis circa 1935 war diese Kiesgrube als Kohlengrube genutzt worden. Dann hatte sie den durch Derry fahrenden Dampfloks als Kohlendepot gedient, bis diese nach dem Zweiten Weltkrieg von den Dieselloks und danach von den Elektroloks verdrängt worden waren. Ein paar Jahre, nachdem die Kohle nicht mehr gebraucht wurde (und nachdem die Reste größtenteils von Leuten mit Kohlenöfen gestohlen worden waren), hatte ein einheimischer Unternehmer hier eine Kiesgrube ausgehoben. Allerdings ging auch er 1955 bankrott, und seitdem war die Grube verwaist. Die zur Kohlengrube führenden Gleise waren noch vorhanden, aber mittlerweile fast komplett verrostet, und zwischen den halb verfaulten Schwellen wucherte Unkraut, ebenso wie in der Grube selbst, wo es mit Goldruten und großen Sonnenblumen um die Wette emporwuchs. Aber zwischen den Pflanzen lagen immer noch jede Menge Kohlenstücke herum.
    Während des Rennens zog Mike sein Hemd aus. Am Rand der Kohlengrube angelangt, warf er einen Blick zurück. Henry war noch ein ganzes Stück entfernt, bei den Bahngleisen, und seine Kumpel waren neben und hinter ihm. Also war noch Zeit.
    Mike machte aus seinem Hemd eine Art Bündel und füllte es so rasch wie möglich mit großen Kohlebrocken. Dann rannte er zum Zaun, aber anstatt daran hochzuklettern, wandte er ihm den Rücken zu, schüttete die Kohle aus seinem Hemd auf den Boden, bückte sich und hob einige große Stücke auf.
    Henry Bowers sah die Kohle nicht; er sah nur, dass der Neger am Zaun in der Falle saß. Brüllend rannte er auf ihn zu.
    »Das ist für meinen Hund, du Schwein!«, schrie Mike und war sich gar nicht bewusst, dass ihm die Tränen die Wange herunterliefen. Er warf mit aller Kraft einen Kohlebrocken, der Henry mit einem lauten Bonk! auf die Stirn traf und dann im hohen Bogen abprallte. Henry taumelte und fiel auf die Knie. Er griff sich an die Stirn, und sofort sickerte Blut zwischen seinen Fingern hindurch.
    Die anderen blieben stehen, und ihre Gesichter hatten alle den gleichen Ausdruck fassungsloser Ungläubigkeit. Henry stieß einen grellen Schmerzensschrei aus und rappelte sich wieder hoch, eine Hand immer noch auf die Stirn gepresst. Mike warf ein zweites Kohlestück, aber Henry duckte sich und begann, auf Mike zuzugehen, und als Mike einen dritten Brocken schleuderte, nahm Henry die Hand von der Stirn, wo eine hässliche blutende Wunde zum Vorschein kam, und schlug die Kohle wie beiläufig zur Seite. Er grinste bösartig.
    »Oh, du wirst jetzt dein blaues Wunder erleben!«, rief er. »Dein … O GOTT! « Henry wollte noch mehr sagen, aber aus seinem Mund kamen nur unverständliche Gurgellaute.
    Mikes nächster Wurf hatte Henrys Kehle voll erwischt, und er ging erneut zu Boden. Peter Gordon brachte vor Verwunderung den Mund nicht mehr zu, und Moose Sadler runzelte die Stirn, als brütete er über einer schwierigen Rechenaufgabe.
    »Worauf wartet ihr denn?«, schrie Henry schließlich, während Blut zwischen seinen Fingern hervorsickerte. Seine Stimme klang rostig und fremd. » Schnappt ihn! Schnappt euch den kleinen Scheißkerl!«
    Mike wartete nicht ab, ob sie gehorchen würden oder nicht. Er ließ sein Hemd liegen, wo es war, drehte sich um und begann am Zaun hochzuklettern. Einen Augenblick später spürte er, wie große Hände ihn am Fuß packten. Er schaute nach unten und sah Henrys verzerrtes, kohlen- und blutbeschmiertes Gesicht. Mike riss seinen Fuß mit einem Ruck hoch, und Henry hielt plötzlich nur noch einen Turnschuh in der Hand. Dann

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