Es: Roman
berühmte reiche Leute, dann musste alles perfekt aussehen. Diese Schuhe sahen nicht mehr perfekt aus … aber er dachte, wo er hinging, würden sie genügen. Und vor allem für das, was er tun musste, wenn er dort war. Vielleicht würde Richie Tozier …
Aber dann drohte die Schwärze, und er spürte, wie sich seine Kehle zuschnürte. Eddie wurde mit zunehmender Panik klar, dass er seine gesamte Apotheke eingepackt hatte, aber nicht das Wichtigste von allem – sein Asthma-Spray. Das stand noch unten auf der Stereoanlage.
Er warf den Kofferdeckel zu und schloss ihn. Dann drehte er sich nach Myra um, die auf der Türschwelle stand und sich mit einer Hand an die Kehle griff, als ob sie es wäre, die Asthma hätte. Sie starrte ihn erschrocken und perplex an. Er hätte wahrscheinlich Mitleid mit ihr gehabt, wenn in seinem Herzen Platz für ein anderes Gefühl außer Entsetzen und Angst gewesen wäre.
»Was ist passiert?«, fragte sie. »Wer war das am Telefon? Steckst du in Schwierigkeiten? Das ist es doch, stimmt’s? Was für Schwierigkeiten sind das?«
Er ging auf sie zu, jetzt auf beiden Seiten belastet und deshalb wieder aufrecht. Zuerst dachte er, sie würde ihm nicht Platz machen, aber sie tat es doch … ängstlich. Als er an ihr vorbeiging, brach sie in jämmerliches Weinen aus.
»Ich kann Al Pacino nicht chauffieren«, heulte sie. »Ich werde bestimmt irgendein Verkehrsschild rammen, das weiß ich genau! Eddie, ich habe Aaaa-angst!«
Er schaute auf die Seth-Thomas-Uhr auf dem Tischchen neben der Treppe. Es war zwanzig nach neun. Durch einen Anruf bei Delta hatte er erfahren, dass er den letzten Abendflug nach Maine bereits versäumt hatte – das Flugzeug war um 20.25 Uhr von La Guardia gestartet. Daraufhin hatte er Amtrak angerufen und herausgefunden, dass von der Penn Station ein Nachtzug nach Boston um 23.30 Uhr ging. An der Bostoner South Station würde er sich ein Taxi zu den Büros von Cape Cod Limousine in der Arlington Street nehmen; sein eigenes Unternehmen Royal Crest und Cape Cod Limousine unterhielten seit Jahren freundschaftliche Beziehungen, was sich für beide Seiten als sehr vorteilhaft erwiesen hatte. Ein kurzer Anruf bei Butch Carrington in Boston hatte dafür gesorgt, dass er problemlos in Richtung Norden weiterkommen würde: Eine vollgetankte Cadillac-Limousine würde für ihn bereitstehen. Er würde also stilgerecht in seine alte Heimatstadt zurückkehren – ohne einen Fahrgast auf dem Rücksitz, der die Luft mit einer dicken Zigarre verpestete und ihn fragte, wo man eine Hure oder ein paar Gramm Kokain oder auch beides bekommen könnte.
Ja, wirklich sehr stilgerecht, dachte er. Die einzige Möglichkeit, noch stilgerechter hinzukommen, wäre in einem Leichenwagen. Aber nur keine Sorge, Eddie – damit wirst du vermutlich auf dem Rückweg reisen. Das heißt, wenn noch so viel von dir übrig ist, dass der Aufwand sich lohnt.
»Eddie?«
Zwanzig nach neun. Er hatte noch etwas Zeit. Er konnte mit ihr reden und – vielleicht – freundlich sein. Aber es wäre um vieles einfacher gewesen, wenn sie heute ihren Whist-Abend gehabt hätte. Dann hätte er ihr einfach eine schriftliche Nachricht unter einen der Magnete an der Kühlschranktür klemmen können (da hinterließ er alle Zettel für Myra, weil sie sie dort mit hundertprozentiger Sicherheit fand). Nun ja, es wäre nicht schön gewesen, heimlich das Haus zu verlassen, aber dies hier war noch viel schlimmer. So als müsste er wieder von daheim, von seiner Mutter wegziehen – was so schwierig gewesen war, dass er es erst beim dritten Anlauf geschafft hatte.
Wo dein Herz ist, dort ist auch dein Zuhause, dachte er flüchtig. Daran glaube ich. Bobby Frost, der es unter seinem Vornamen Robert zu einigem Ruhm als Dichter gebracht hatte, hatte einmal gesagt, Zuhause – das sei der Ort, wo man dich immer aufnehmen würde. Leider ist es aber zugleich auch der Ort, von dem man dich nicht wieder fortlässt, wenn du erst einmal dort bist.
Er stand am oberen Ende der Treppe, seine Vorwärtsbewegung war vorübergehend erschöpft, voll Angst, sein Atem ging winselnd und pfeifend durch das Nadelöhr, zu dem sein Hals geworden war, und betrachtete seine weinende Frau.
»Komm mit nach unten«, sagte er. »Ich erzähl dir, so viel ich kann.«
Sie gingen nach unten, und Eddie stellte seine beiden Gepäckstücke – im einen Kleidungsstücke, im anderen Arzneimittel – in den Flur. Plötzlich fiel ihm etwas ein; vielmehr erinnerte der Geist seiner
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