Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
regelrechten Pferd mutiert, und meine Uniformen sehen scheußlich an mir aus.«
    »Es bleibt eine Ausnahme, das schwöre ich dir.«
    »Wer hat dich angerufen, Eddie?«
    Wie aufs Stichwort fluteten Scheinwerferlichter über die Wand und eine Hupe ertönte, als das Taxi die Auffahrt hochkam. Er fühlte sich sichtlich erleichtert. Sie hatten fünfzehn Minuten lang über Pacino geredet statt über Derry und Mike Hanlon und Henry Bowers, und das war gut so. Gut für Myra, und auch gut für ihn. Er wollte erst dann über diese Dinge nachdenken oder reden, wenn er es wirklich musste.
    Eddie erhob sich. »Mein Taxi …«
    Sie sprang so schnell auf, dass sie über den Saum ihres Nachthemds stolperte; er musste sie festhalten, und um ein Haar wären sie beide gestürzt, denn sie wog etwa hundert Pfund mehr als er.
    Dann fing sie schon wieder an zu heulen.
    »Eddie, du musst es mir sagen!«
    »Das geht nicht. Ich muss los.«
    »Du hast mir doch noch nie etwas verheimlicht, Eddie«, schluchzte sie.
    »Und das tue ich auch jetzt nicht. Nicht wissentlich. Ich erinnere mich selbst nicht an alles. Noch nicht. Der Mann, der mich angerufen hat, war … ist … ein alter Freund. Er …«
    »Du wirst krank werden«, fiel sie ihm verzweifelt ins Wort, während sie ihm in den Flur folgte. »Ich weiß es. Lass mich mitkommen, Eddie, bitte, ich werde auf dich aufpassen, Pacino kann ein Taxi oder irgendsowas nehmen, das geht doch, ja?« Ihre Stimme wurde immer schriller, aufgeregter, und zu Eddies Entsetzen sah sie seiner Mutter von Minute zu Minute ähnlicher – aber seiner Mutter, wie sie kurz vor ihrem Tod gewesen war, fett und verrückt. »Ich werde dir den Rücken waschen und darauf achten, dass du deine Tabletten einnimmst … ich … ich werde dir helfen … ich werde auch nur dann den Mund aufmachen, wenn du das möchtest, aber du kannst mir alles sagen … Eddie … Eddie, geh nicht fort! Bitte, Eddie! Biiiitte! «
    Er stolperte blindlings den Flur entlang, mit eingezogenem Kopf, wie ein Mann, der sich gegen starken Wind vorwärtskämpft. Er keuchte wieder. Jedes seiner Gepäckstücke schien hundert Pfund zu wiegen. Er spürte ihre rosigen Hände auf seinem Körper, spürte, wie sie ihn zurückzuziehen versuchte, wie sie ihn mit ihren Tränen, ihrer Hilflosigkeit, ihrer Fürsorge dazu bringen wollte, nicht wegzugehen.
    Ich schaff s nicht!, dachte er verzweifelt. Sein Asthma wurde immer schlimmer, schlimmer als jemals seit seiner Kindheit. Er streckte die Hand nach dem Türknauf aus, aber der schien sich von ihm zu entfernen, sich in die Dunkelheit des Alls zurückzuziehen.
    »Wenn du hierbleibst, backe ich dir einen Sauerrahm-Mokkakuchen«, winselte sie. »Wir machen Popcorn … Truthahn mit Soße … Wenn du möchtest, mache ich dir das auch gleich morgen zum Frühstück … Ich kann sofort damit anfangen … Eddie, bitte, ich habe solche Angst, du jagst mir solche Angst ein! «
    Sie packte ihn am Kragen und zerrte ihn zurück wie ein kräftiger Bulle, der einen Verdächtigen erwischt hat und ihn daran hindern will zu fliehen. Mit absolut letzter Kraft riss er sich los … und spürte, wie ihre Hände von ihm abglitten.
    Sie stieß ein letztes Jammern aus.
    Seine Finger packten den Türknauf – wie himmlisch kühl er war! Er öffnete die Tür und sah das Taxi auf der Auffahrt stehen – wie ein Botschafter aus dem Reich der Normalität. Die Luft war an diesem Abend glasklar, die Sterne funkelten hell und kräftig.
    Sein Atem ging keuchend und pfeifend, als er sich zu Myra umdrehte. »Du musst begreifen, dass ich das hier wirklich nicht gern tue«, sagte er. »Wenn ich die Wahl hätte – überhaupt eine Wahl -, würde ich nicht gehen. Bitte, Marty, versteh das. Ich werde gehen, aber ich komme zurück.«
    Oh, aber das hörte sich wie eine Lüge an.
    »Wann? Wie lange bleibst du fort?«
    »Eine Woche, nicht länger. Oder vielleicht zehn Tage.«
    »Eine Woche!«, kreischte sie und schlug sich an die Brust wie die Diva in einer schlechten Oper. »Eine Woche! Zehn Tage! Bitte, Eddie! Biii… «
    »Marty, hör auf, okay? Lass es einfach.«
    Und zu seinem Erstaunen tat sie es; sie stand da und schaute ihn mit ihren nassen, geschwollenen Augen an, nicht ärgerlich, nur erschrocken. Und vielleicht spürte er in diesem Augenblick zum ersten Mal, dass er sie wirklich lieben konnte. Gehörte das zu Abschieden dazu? Er vermutete es. Nein … er wusste es. Er fühlte sich bereits wie ein Mann, der im falschen Ende eines Teleskops lebt.
    Aber

Weitere Kostenlose Bücher