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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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des Kunstlehrers, sie in die Luft zu jagen, letztlich doch als todernst erwiesen. Der bärtige, grinsende Kopf schoss kerzengerade in die Höhe. Ein Bein knickte nach vorn, das andere zurück, als hätte Paul so enthusiastisch einen Spagat versucht, dass es ihn buchstäblich zerriss. Der mittlere Teil der Statue detonierte in einer Wolke aus Splittern, die Klinge der Plastikaxt flog in den verregneten Himmel, verschwand und kam wieder herunter, wobei sie sich unaufhörlich um sich selbst drehte. Sie durchschlug erst das Dach der Kussbrücke, dann ihren Boden.
    Und dann, um 10.02 Uhr, brach die ganze Stadtmitte ein.
    Der größte Teil der Wassermassen aus dem Wasserturm hatte sich zwar von der Kansas Street aus in die Barrens ergossen, aber unzählige Tonnen waren auch den Up-Mile Hill hinab in die Innenstadt gestürzt. Vielleicht war das der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte … vielleicht hatte es auch wirklich ein Erdbeben gegeben, wie Harold Gardener seiner Frau erzählt hatte. Risse rasten über das Pflaster der Main Street. Zuerst waren sie noch schmal … und dann wurden sie immer breiter, gähnten wie hungrige Mäuler, und das Rauschen des unterirdischen Kanals drang nun nach oben, nicht mehr gedämpft, sondern beängstigend laut. Alles begann zu beben. Das Neonschild SONDERANGEBOT: MOKASSINS von Shorty Squires Souvenirladen fiel auf die Straße und ertrank in metertiefem Wasser. Und gleich darauf begann sich der Souvenirladen, der unmittelbar neben der Buchhandlung stand, abzusenken. Buddy Angstrom bemerkte dieses Phänomen als Erster. Er stieß Alfred Zitner mit dem Ellbogen an, dem nach dem ersten Blick buchstäblich der Unterkiefer herunterklappte, und der dann seinerseits Harold Gardener einen Rippenstoß versetzte. Binnen Sekunden kam die gesamte Arbeit zum Erliegen. Alle Männer, die auf beiden Seiten des Kanals Sandsäcke aufgeschichtet hatten, standen wie angewurzelt da und starrten in fassungslosem Entsetzen zur Stadtmitte hinüber. Es hatte ganz den Anschein, als hätte Squires Souvenirladen auf einem riesigen Aufzug gestanden, der sich nun nach unten bewegte. Das Gebäude sank mit einer Art schwerfälliger Würde im scheinbar festen Boden ein. Als es schließlich zum Stillstand kam, hätte man vom überfluteten Gehweg aus auf allen vieren direkt durch die Fenster des zweiten Stockwerks einsteigen können. Um das ganze Gebäude herum schossen Wasserfontänen empor, und gleich darauf tauchte der Ladeninhaber Shorty Squire auf dem Dach auf, schwenkte verzweifelt die Arme und schrie um Hilfe. Doch im nächsten Augenblick begann auch das Geschäftshaus daneben, in dessen Erdgeschoss sich die Buchhandlung Mr. Paperback befand, zu versinken, aber unglückseligerweise nicht so würdevoll wie der Souvenirladen; das hohe Gebäude neigte sich wie zuvor der Wasserturm. Ziegelsteine regneten herab, und mehrere davon trafen Shorty auf dem Dach seines Hauses. Harold Gardener sah, wie er sich an den Kopf griff und das Gleichgewicht verlor … und dann stürzten die drei obersten Stockwerke des Mr. Paperback-Hauses ein und rissen Shorty mit sich in die Tiefe. Einer der Männer am Kanal schrie. Danach gingen alle Rufe und Schreie im Donnern und Krachen der Zerstörung unter. Einige Männer wurden von der Wucht des Bebens zu Boden geschleudert, andere stolperten entsetzt vom Kanal weg. Harold sah, wie die Gebäude auf beiden Seiten der Main Street sich bedenklich gegeneinander neigten, so als wären es Frauenköpfe, die zum Tuscheln zusammengesteckt würden. Die Straße selbst brach auf und sank ein. Wasserfontänen schossen überall empor. Und dann stürzten die Gebäude beiderseits der Main Street – die Northeast Bank, das The Shoeboat, Alvey’s Smokes’n Jokes, Bailley’s Lunch, Bandler’s Record and Music Barn – wie Kartenhäuser ein und fielen auf die Straße – nur dass es auch keine Straße mehr gab, lediglich einzelne im Wasser treibende Asphaltbrocken. Die Main Street war im unterirdischen Kanal versunken. Harold beobachtete, wie die Verkehrsinsel plötzlich verschwand, und als auch an dieser Stelle eine enorme Wasserfontäne hervorschoss, begriff er, was demnächst passieren würde.
    »Nichts wie weg!«, brüllte er Al Zitner zu. »Gleich gibt’s hier’ne Mordsüberschwemmung!«
    Al Zitner schien nichts zu hören. Sein Gesicht hatte den Ausdruck eines Schlafwandlers oder eines Hypnotisierten. Er stand wie erstarrt da, nass bis auf die Haut in seinem rot-blau karierten

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