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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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haben! Und ich glaube, diesmal …«
    Er stolperte jetzt wieder vorwärts und hielt Audra über dem Wasserspiegel. Bev, Ben und Richie folgten ihm. Fünf Minuten später blickte Bill hoch und sah über sich blauen Himmel. Er sah durch einen Spalt in der Tunneldecke, einen Spalt, der sich verbreiterte und ein Stück weiter unten eine Breite von mehr als zwanzig Metern erreichte. In den Wassermassen weiter vorn ragten Inseln und Inselgruppen empor – Ziegelhaufen, das Heck eines Plymouth mit aufgesprungenem, halb ertrunkenem Kofferraum, eine Parkuhr lehnte sich in schiefem Winkel an die Tunnelwand, der rote Hinweis ZEIT ABGELAUFEN zeigte noch nach oben.
    Der Boden war jetzt fast unpassierbar – kleine und größere Erhebungen, die ohne ersichtlichen Grund kamen und gingen, und bei jedem Schritt dazu einluden, sich den Knöchel zu brechen. Das Wasser umspielte sanft ihre Achseln.
    Sanft, dachte Bill. Aber wenn wir vor zwei oder auch nur vor einer Stunde hier gewesen wären, hätten wir den letzten Ritt unseres Lebens erlebt.
    »Was zum Teufel ist das, Bill?«, fragte Richie. Er stand dicht neben Bills linkem Ellbogen, die Gesichtszüge weich vor Staunen, und starrte zu dem Riss in der Tunneldecke empor. Nur dass es keine Tunneldecke mehr ist, dachte Bill. Es ist die Main Street. Oder, besser gesagt, dies war einmal die Main Street.
    »Ich nehme an, dass der größte Teil der Stadtmitte jetzt den Kenduskeag entlangtreibt. Schon bald wird er im Penobscot sein und dann im Atlantischen Ozean und dann – ab dafür! Kannst du mir mit Audra helfen, Richie? Ich glaube, ich kann nicht …«
    »Klar«, sagte Richie. »Klar, Bill. Kein Problem.«
    Er nahm Audra Bill ab, der sie jetzt, im helleren Licht, besser sehen konnte, als ihm lieb war – selbst der Schmutz auf ihrer Stirn, ihren Wangen und ihrem Hals konnte nicht verhüllen, dass sie leichenblass war. Ihre Augen waren noch immer weit aufgerissen … und vollkommen ausdruckslos. Ihre Haare hingen nass und glatt herab. Sie hätte ebenso gut eine jener Gummipuppen sein können, die im »Pleasure Chest«-Sexshop in New York oder auf der Reeperbahn in Hamburg verkauft wurden. Der einzige Unterschied war ihr langsamer, aber gleichmäßiger Atem … doch selbst das mochte ein mechanischer Trick sein, nichts weiter.
    »W-Wie sollen wir hier h-h-herauskommen?«, fragte er Richie.
    »Du musst dir nur von Ben mit einer Räuberleiter helfen lassen«, sagte Richie. »Dann ziehst du Bev rauf, und zu zweit hievt ihr dann deine Frau raus. Ben hilft mir hoch, und zuletzt ziehen wir ihn raus. Alles ein Kinderspiel. Und danach zeige ich euch, wie man ein Volleyball-Turnier für tausend blonde, vollbusige, willige Studentinnen ausrichtet.«
    »Piep-piep, Richie.«
    »Piep-piep im Arsch, Big Bill.«
    Die Erschöpfung durchflutete ihn jetzt in gleichmäßigen Wellen. Er fing Beverlys ruhigen Blick auf und hielt ihn einen Augenblick lang fest. Sie nickte ihm kaum sichtbar zu, und er brachte für sie ein Lächeln zustande.
    »Machst du mir eine Räuberleiter, B-Ben?«
    Ben nickte. Auch er sah unglaublich erschöpft aus. Ein tiefer Kratzer zog sich über seine Wange. »Ich glaube, das schaffe ich.«
    Er bückte sich etwas und verschränkte seine Hände zu einem Steigbügel. Bill stellte seinen Fuß darauf und sprang hoch. Es reichte nicht. Ben hob den aus seinen Händen bestehenden Steigbügel, und Bill packte den Rand des eingebrochenen Tunneldachs. Er zog sich heraus. Das Erste, was er sah, war eine weiß-orangefarbene Absperrung. Das Zweite war eine aufgeregte Menschenmenge hinter der Absperrung. Das Dritte war der Freese’s Department Store – der seltsam vorgewölbt und verkürzt aussah. Es dauerte einen Augenblick, ehe Bill verstand: Die untere Hälfte des Kaufhauses war in die Straße eingesunken … und in den Kanal unter der Straße. Die obere Hälfte ragte schief heraus und drohte umzukippen wie ein unordentlich aufeinandergestapelter Bücherstoß.
    »Seht doch nur! Dort! Dort ist jemand!«
    Eine Frau deutete auf die Stelle, wo Bills Kopf zwischen dem geborstenen Asphalt aufgetaucht war.
    »Gelobt sei Gott, da ist noch jemand!«
    Sie wollte auf ihn zurennen – eine ältere Frau mit einem nach Bäuerinnenart gebundenen Kopftuch. Ein Polizist hielt sie zurück. »Nicht sicher genug, Mrs. Nelson. Das wissen Sie. Der Rest der Straße kann jederzeit einbrechen.«
    Mrs. Nelson, dachte Bill. Ich erinnere mich an dich. Deine Schwester hat manchmal auf Georgie und mich aufgepasst. Er hob die

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