Es soll Liebe sein: Roman (German Edition)
sei. In ihrem Zimmer herrschte eine Art gehobene Stimmung, Hoffnung nicht unähnlich, obwohl es das genaue Gegenteil von Hoffnung war. Es fiel uns allen nicht schwer, fröhlich zu sein.
Zweimal kam Betsy nach der Arbeit mit mir. Sie sprach nicht viel, sondern saß neben Phoebes Bett, strickte eifrig und lächelte mütterlich, wann immer jemand sie ansprach.
Am Ende ihres letzten Besuches küsste sie Phoebe und sagte: »Ich bin dir unendlich dankbar. Hättest du Cassie nicht die Idee mit der Heirat in den Kopf gesetzt, hätte sie Hazel meinen Jonah niemals vorgestellt.« (Das war völlig unlogisch, aber der Gedanke zählt.)
Es berührte mich, eines Nachmittags Matthew und Honor in Phoebes Zimmer vorzufinden. Honor war die Begegnung mit mir peinlich, aber die Episode mit dem Oralsex war inzwischen längst Geschichte. Phoebe freute sich sehr, die beiden zu sehen, und das allein zählte. Wäre sie kräftiger gewesen, hätte sie gelacht. So aber lachten nur ihre Augen. Das machte mich sowohl Matthew als auch Honor schrecklich zugeneigt.
Vor dem Zimmer küsste ich sie herzlich auf die Wange. »Ich danke euch, dass ihr gekommen seid. Es hat Phoebe sehr gefallen.«
Matthew sagte: »Ich bin froh, dass ich sie gekannt habe. Und es muss sehr …« Er brach ab, um sein Gehirn nach dem richtigen Wort zu durchforsten. » … hart für dich sein. Bist du okay?«
In seinen Augen lag unverfälschte Zärtlichkeit. Ich spürte das vertraute, schmerzliche Aufkommen von Tränen in meiner Kehle. »Oh, es geht mir gut.«
»Ruf mich an, jederzeit«, sagte Honor. »Ich bin … ich bin nicht mehr unter der alten Nummer erreichbar. Ich bin zu Matthew gezogen.«
Armes Ding, deren große graue Augen vor Glück strahlten und um mein Einverständnis flehten. Ich freute mich unwillkürlich für sie, dass sie ihre wahre Liebe gefunden hatte. Und ich wollte ihn doch nicht, oder? Ich küsste sie erneut auf die Wange, um ihr zu zeigen, dass ich keinen Groll mehr hegte, und versprach, mit ihnen essen zu gehen. Fritz schnitt mir den Rest des Tages Elchgesichter.
Weitaus überraschender war, dass meine Mutter anrief, sie und George kämen am nächsten Tag zu Besuch. Ich kann nicht erklären, warum es mich überraschte. Ruth hatte keinen Funken Sentimentalität in sich, und ich erwartete von ihr vermutlich einfach kein förmliches Abschiednehmen. Aber dann begriff ich: Sie wollte natürlich, dass Phoebe George noch kennen lernte. Es war ihr wichtig, Phoebe das Happy End zu zeigen.
Ich nahm mir einen weiteren Nachmittag frei, um mich am Bahnhof mit ihnen zu treffen. Ruth küsste mich fest, hielt mein Gesicht zwischen den Händen.
Sie sagte: »Es ist sehr schwer für dich.«
Sie stellte ihr Mitgefühl nicht aus, aber ich spürte dessen Stärke und Tiefe. Ich spürte, dass sie viel über den Tod wusste. Ich spürte, dass sie mich daran erinnern wollte, dass sie zu mir gehörte. Ich hatte ihren Besuch gefürchtet, fand ihn aber letztendlich hilfreich. Ich führte die beiden zu einem frühen Abendessen aus, bevor sie wieder mit dem Zug zur Küste zurückfuhren, und was als schwierige Aufgabe begonnen hatte, verwandelte sich in eine Freude (mein Respekt für und meine Zuneigung zu George bestehen wohl seit diesem Abendessen).
Ruth sagte: »Ich hoffe, du besuchst mich zu Weihnachten. Wenn du da bist, habe ich einen Vorwand, es richtig zu gestalten.«
Ich hatte nicht an Weihnachten gedacht. Es war Phoebes Jahreszeit. Der Klang des Wortes ließ Bilder in meinem Geist aufflammen, die alle um Phoebe kreisten – wie sie Jimmy unter dem Mistelzweig im Flur küsste, wie sie für mich einen Strumpf am Kamin aufhängte, wie das ganze Haus nach warmem Pfefferkuchen und Gewürzen duftete. Ich schob den Gedanken komplett von mir.
»Du musst nicht hier bleiben«, sagte Ruth. »Es ist nie gut, diese Feste nach einem schmerzlichen Verlust allein zu verbringen. Du wirst zu traurig sein.«
Vielleicht – aber jetzt waren wir nicht traurig. Es sollte an Phoebes Lebensende nicht mehr Traurigkeit geben als an dessen Anfang. Wir waren alle entschlossen, jede Sekunde so vollkommen wie möglich zu leben, während sich der Kreis schloss. Die alten Freunde kamen weiterhin. Die Jungs reichten Tee und Champagner herum, als gäben sie eine Cocktailparty. Ich konnte nicht schlafen und buk mitten in der Nacht Kekse, während ich dem World Service lauschte. Ich drängte die Kekse Phoebes Besuchern auf und hinterließ auch -welche für die Freunde und Verwandten der anderen
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