Es soll Liebe sein: Roman (German Edition)
hier gewesen, aber seit vielen Monaten nicht mehr.
Auf dem dunklen Treppenabsatz hörte ich einen Schrei.
Ich versuchte gerade herauszufinden, aus welcher Wohnung er gekommen war, als ich einen weiteren Schrei hörte. Dann mehrere Schreie, eher wie ein Seehundheulen – so wie »Uff! Uff! Uff!«
Ich lauschte, und weigerte mich zu begreifen. Ich fror bis auf die Knochen und bewegte mich mechanisch wie ein Roboter vorwärts. Ich wollte es einfach nicht glauben, bis sich das Messer bis in meine Eingeweide gegraben hatte. Ich öffnete Matthews Wohnungstür und schloss sie hinter mir sehr leise wieder. So seltsam es auch scheinen mag, war meine hauptsächliche Empfindung starke Erregung.
Die Tür zum Schlafzimmer am Ende des Flurs stand offen.
»Uff! Uff!«, heulte der Seehund.
Ich schlich auf das Licht zu, mit unbehaglich in der Kehle hämmerndem Puls.
Als ich sie sah, nahm mir der Schock allen Atem, sodass ich laut keuchte. Das schreckliche Bild gefror (es ist bis heute in mein Gedächtnis eingebrannt, starr und statisch, wie ein Renaissance-Gemälde).
Eine Frau saß auf dem flachen, weißen, harten Bett. Sie war nackt. Ihre Beine waren weit gespreizt, und Matthew kniete auf dem Boden davor und leckte sie kräftig.
Es war Honor Chappell.
Honor Chappell. Ich hatte meinen Freund erwischt, wie er Honor Chappell leckte, ausgerechnet sie. Ich brauchte einige lange Sekunden, bis mein Gehirn begriff, was mir meine Augen zeigten.
Das Verrückteste von allem war, dass ich fast höflich zu ihnen war. Ich entschuldigte mich beinahe für mein Eindringen. Ich verspürte den geisteskranken Wunsch, Small Talk zu betreiben und Drinks einzugießen.
Honor wirkte wie vom Donner gerührt und (später ein kleiner Trost für mich) unglaublich würdelos.
Matthews Kopf fuhr zu mir herum. Er keuchte: »O Scheiße …«
Ohne wirklich zu wissen, was ich tat, stolperte ich wortlos aus der Wohnung und die Steintreppen hinab.
»Cassie!« Seine Stimme hallte vom Treppenabsatz zu mir herab. »Cassie, warte!«
Ich schrie: »Nein!« und rannte weiter. Ich wusste nicht, was zum Teufel ich tat, ganz zu schweigen davon, wie ich mich fühlte. In mir brodelte eine Mischung aus Entsetzen, Elend und Zorn – mit der schmerzlichen Würze der Komik, die mit so einem riesenhaften Würdeverlust einhergeht. Es verwirrte mich, wie ruhig ich war. Ich stand wohl unter Schock. Ich hätte mich in Decken wickeln und heißen, süßen Tee trinken sollen. Stattdessen hielt ich ein einsames Taxi an und bat den Fahrer, mich zu der Party zurückzubringen. Meine Wohnung konnte ich jetzt nicht ertragen. Ich musste etwas trinken und schreien und in geistlosem Lärm ertrinken.
Ich war nur fünfundvierzig Minuten fort gewesen. Die Theaterbar hatte noch geöffnet. Ich bestellte mir einen weiteren Gin Tonic und drängte mich auf der Suche nach Fritz und Annabel durch die Menge.
Ich fand Fritz in einer Ecke mit – natürlich – der verdammten, ihn umschwärmenden Felicity Peason. Ich packte ihn am Ärmel. »Wo ist Annabel?«
»Sie wollte nicht mehr hierher«, sagte Fritz. »Sie muss morgen früh zur Arbeit.«
Sosehr ich Annabel auch liebte, war ich doch erleichtert. Ich war noch nicht bereit für einen Nachruf. Ich nahm mit, wie ich hoffte, unbekümmertem Schwung einen großen Schluck Gin. Etwas Gin tröpfelte mein Kinn hinab. »Du warst übrigens phantastisch. Gratuliere.«
Er sah mich merkwürdig an. »Bist du okay?«
»Ja! Natürlich! Warum sollte ich nicht okay sein?«
»Entschuldige, Grimble – ich habe nur gefragt. Möchtest du dir noch einen Drink genehmigen?«
»Gin Tonic, bitte.« Ich wollte keinen weiteren Drink. Ich mochte Gin nicht einmal. Ich wollte dies nur so schnell wie möglich hinter mich bringen.
Fritz entwand sich sanft Peasons Arm. »Tut mir Leid, ich muss an meine Brieftasche.« Sie murmelte ihm etwas ins Ohr.
Er tat es achselzuckend ab, während er mich noch immer zweifelnd ansah. »Hör mal, du trinkst normalerweise keinen Gin. Was ist los?«
»Oh, nichts. Ich habe mich nur gerade von Matthew getrennt. Aber es geht mir gut.«
»Was? Bist du sicher?«
Ich lächelte strahlend. »O ja. Absolut gut. Es musste irgendwann so kommen, weißt du. Obwohl ich sagen muss«, fügte ich hinzu, »dass ich nicht darauf vorbereitet war, ihn beim Oralsex mit Honor Chappell zu erwischen.«
Jetzt hatte ich ihn wirklich verblüfft. »Du … er hat was getan?«
»Du erinnerst dich doch an Honor.«
»Natürlich. Dieser Vogel mit dem
Weitere Kostenlose Bücher