Es sterben immer drei
sagte Katharina nach längerem Schweigen. »Schon, weil Jochen sie grässlich findet.« Sie spielte mit ihrer Bierflasche und äußerte sich verächtlich über Jochens snobistische Vorliebe für Etablissements mit Damasttischdecken und Stoffservietten. Champagner zum Aperitif, Fünf-Gänge-Menü und Rotwein, der mehr kosten müsse als eines ihrer Bilder. Sie zitierte einen seiner Lieblingssprüche, »Das Leben ist zu kurz für schlechten Rotwein«, als sei das eine profunde philosophische Erkenntnis, und lachte über seinen Spleen, sich im Sternerestaurant als Erstes nach dem Humidohr mit den Cohibas zu erkundigen.
»Geht mit dem Rauchverbot nicht mehr,« erinnerte Renate sie.
»Stimmt«, sagte Katharina, »da sieht man mal, wie lange ich schon nicht mehr mit Jochen in einem Sternerestaurant war.« Sie nahm noch einen Schluck. »Valerie kam hierher, weil Jochen nie so einen Schuppen betreten würde. Hier tat sie das, was sie am besten konnte. Männer aufreißen.«
»An Giovanni wird sie sich aber die Zähne ausgebissen haben«, sagte Renate.
Der Keller füllte sich jetzt langsam, in regelmäßigen Abständen öffnete sich die Tür und wieder kam ein Pulk junger Leute herein, die dem Mann hinter der Bar ein lässiges Ciao zuwarfen, das Bier ebenfalls aus der Flasche tranken und von der dicken Köchin mit Pasta versorgt wurden. Stella begann, sich wohlzufühlen. Doch nicht so übel hier. Hatte was, der Laden. »Wie lange kennt ihr zwei euch eigentlich?«, fragte sie.
»Hm, da muss ich nachrechnen«, sagte Katharina, »seit …« sie nahm die Finger zu Hilfe.
»… 1965«, kam ihr Renate zuvor. Sie war schneller im Kopfrechnen. »Erste Klasse Gymnasium.« Katharina nickte. Stellaantwortete erst mal nicht, weil sie im Kopf schnell überschlug, wie alt die beiden waren. Mitte 50. Drei Jahre älter als Jochen und Kleemann, erinnerte sie sich. Dafür hatten sie sich gut gehalten. Beide. Man konnte zwar ihr Alter ungefähr schätzen, minus ein paar Jahre, aber sie wirkten fit und gepflegt. Die Fassade war intakt, die Enttäuschungen hatten ihr Zerstörungswerk bei Katharina nur innerlich durchsetzen können. Bei Renate noch nicht einmal das. Dafür sah Katharina insgesamt besser aus. Vielleicht auch eine Art von Trost.
»Katharina war immer der Star in unserer Klasse«, sagte Renate. »Alle Mädchen beneideten sie und alle Jungs bewunderten sie. Sie war die Schönste, die Lässigste, die Coolste.«
»Aber nicht die Klügste« stellte Katharina kurz klar.
»Aber du hast immer mit den Lehrern diskutiert und eine eigene Meinung vertreten. Das war, damals zumindest, wichtiger als gute Noten.«
»Und du warst der Hippie«, sagte Katharina. »Die mit den kürzesten Röcken«, fügte sie erklärend an Stella gewandt hinzu, als wüsste diese nicht, was ein Hippie ist. »Sie rauchte schon Joints, als sich sonst noch keiner traute, und einmal ist sie mit einem Kerl im VW-Bus nach Indien durchgebrannt.«
Renate nickte, stolz auf ihre Vergangenheit. »Der Bus war mit Flokatis ausgelegt, und der Typ konnte Gitarre spielen. Aber in Istanbul hatte ich genug von ihm. Da bin ich lieber wieder nach Hause getrampt.«
»Getrampt?«, fragte Stella, die bei diesem Wort immer sofort an Leichenteile links und rechts der Autobahn denken musste, verstreut von bösen Männern, die leichtsinnige Mädchen abmurksten.
»Renate war ein wilder Feger damals«, sagte Katharina. »Warum sie Lehrerin wurde und Andreas geheiratet hat, verstehe ich bis heute nicht.«
»Das kann ich dir sagen.« Renate fingerte an ihren kleinen, goldenen Schmetterlingsohrsteckern herum, wie um sich zuvergewissern, dass sie noch am Platz waren. »Ich wollte nicht nach dreißig Jahren Beziehungsdrama mit zwei Männern allein dastehen. Ich brauchte einen Mann, der mir die Treue hält. Bis der Tod uns scheidet. Ganz altmodisch.« Sie zog den linken Schmetterling aus dem Ohrläppchen und putzte den kleinen Dorn hingebungsvoll mit einer Serviette, als würde sie im Moment nichts anderes interessieren.
Katharina blieb cool. »Ach Gottchen, mein Schatz«, sagte sie, »habe ich dich so traumatisiert? Und ich dachte immer, du bist bloß neidisch auf mein abwechslungsreiches Sexleben.«
Renate steckte den Schmetterling wieder an seinen Platz.
»Hast du Kinder?«, fragte Stella.
»Zwei. Einen Jungen und ein Mädchen.«
»Gehen sie noch zur Schule?«
»Nein, beide studieren. Max Umwelttechnologie. Laura Betriebswirtschaft.«
»Schön«, sagte Stella. Bei Frauen wie
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