Es sterben immer drei
die Wandschranktür schloss, leider nicht so fest, wie sie gern wollte. Da lag sie dann Stunden neben Ottos stinkigen Stiefeln und ärgerte sich, dass die Gedankenübertragung nicht funktionierte und Stella sich ewig nicht blicken ließ. Obwohl längst bewiesen war, dass Telepathie möglich ist, versagte ausgerechnet bei ihrer Tochter diese Art der Kommunikation. Warum, blieb ein Rätsel. Vielleicht brauchte man für Telepathie genauso Talent wie fürs Klavierspielen. Auch Luis glänzte durch Abwesenheit, obwohl sie ihn immer für einen äußerst zuverlässigen Schweizer gehalten hatte. Waren denn alle verrückt geworden? Sie bat Renate, ihr den Dumont-Reiseführer Umbrien aus dem Regal zu holen, blätterte darin und zog drei 500-Euro-Scheine zwischen den Seiten hervor. Gott sei Dank, ihr Bargeld-Depot hatten die Gauner nicht gefunden. Was fehlte denn sonst überhaupt?
Gemeinsam inspizierten sie die Zimmer. Was gab es in einem Ferienhaus schon zu stehlen? Ottos alte Stereoanlage, die analoge Kamera, die in der Speisekammer lag und nicht so aussah, als würde sie noch benutzt, der unförmige Fernseher, der nur mit vier Mann und einem Laster zu transportieren war, alles noch da. »Und dein Computer?«, fragte Renate. Da Stella ihren Laptop seit der Ankunft nicht benutzt hatte, war ihr nicht aufgefallen, dass er fehlte. Nun, die neuen Besitzer würden genauso wenig Freude an dem nicht mehr einwandfrei funktionierenden Wordprogramm haben wie sie selbst.
Luis’ schicker neuer Laptop, eines seiner liebevoll gehegten Männerspielzeuge, war ebenfalls verschwunden. Selbst er hatte wohl kaum seinen Computer auf seinen Ausflug in den Wald mitgenommen. Armer Luis.
»Vielleicht war das die Mafia.« In Anbetracht der neuen Ereignisse wechselte Irma das Lager. Bislang hatte sie eine Beteiligung des organisierten Verbrechens an Valeries Tod strikt ausgeschlossen. Plötzlich war sie sich da nicht mehr so sicher. Erst recht, als Stella die Hintergründe ausbreitete, warum sie so spät nach Hause gekommen war, angefangen mit Luis’ Anruf, dass er verletzt im Wald liege, bis hin zur Diagnose im Krankenhaus, aber unter Auslassung kompromittierender Details über den Nachmittag bei Luca.
Plötzlich war draußen ein Auto zu hören, das vor dem Haus hielt. Die Scheinwerfer wurden ausgeschaltet und der Motor abgestellt. Irma kippte den restlichen Cognac in einem Zug hinunter. Ihre Hand zitterte. Der Überfall hatte sie doch mehr mitgenommen, als sie zugab.
Luca betrat sorglos das Haus und rief »Hallo«. Alle waren sehr erleichtert, ihn zu sehen.
Er hörte sich die Überfallgeschichte an und rief die Kollegen von der Spurensicherung an, obwohl er spontan nicht an verwertbare Hinweise glaubte. Irma versicherte, beide hätten Handschuhe getragen, ihrer Laienmeinung nach sei es unmöglich, Fingerabdrücke zu finden. Während Stella in der Küche Nudeln kochte, mit Gorgonzolasoße, weil alle so hungrig waren, hielt Irma sich im Wohnzimmer am dritten Glas Cognac fest und sonnte sich in der Besorgnis von Renate und Katharina, die sie wegen ihrer Tapferkeit lobten und ihr halfen, sich von ihrem Schock zu erholen. Auch Derrida tauchte aus der Nacht auf, angelockt von den Essensdüften wagte er sich ins Haus, das er gemieden hatte, solange die Einbrecher dort ihr Unwesen trieben. Luca machte einen ergebnislosen Rundgang durch den Garten und seine beiden Kollegen von der Spurensicherung stäubten lustlos etwas Kohlepulver rund um den Wandschrank. Natürlich gab es da Millionen von Fingerabdrücken, wahrscheinlich von Generationen von Ottos Feriengästen, aber ziemlich sicher keine von den Einbrechern. Und wenn doch,dann undefinierbare. Sie ermittelten Luca zuliebe, hielten die ganze Aktion aber für unnötig. Als sie sich verabschiedeten und höflich die Einladung zur Pasta ablehnten, war Stella sicher, dass die unbekannten Fingerabdrücke in einem für diese Zwecke angelegten kriminalpolizeilichen Mülleimer verschwanden. Die Carabinieri hielten den Einbruch für einen der ortsüblichen Übergriffe auf das Eigentum wohlhabender Ausländer und für irgendwie verständlich. Stella lauschte einem leisen, aber erregten Wortwechsel vor dem Küchenfester, von dem sie nichts verstand, außer einem von Herzen kommenden Cretini von Luca, als seine Kollegen schon außer Hörweite waren. Sie fragte sich, warum er überhaupt so spät am Abend noch zu Ottos Haus gekommen war. Sie nahm nicht an, dass ihn die Sehnsucht nach ihr getrieben hatte, aber der
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