Es sterben immer drei
gemalt«, verkündete sie Stella, die einfach ins Zimmer marschierte, weil niemand ihr Klopfen gehört hatte. Sie wollte für die Recherche über Dolce&Sauer Katharinas Computer benutzen. Derrida blinzelte neugierig von seinem Sofa herüber, steckte aber seine Schnauze schnell wieder unter sein Hinterteil und beschlabberte weiter seine Hoden. Das Gewehrfutteral, das er am Tag zuvor aus dem Alfa geklaut hatte, war nirgends mehr zu sehen. Marlene hüpfte übermütig herum, nackt unter dem verschlissenen Tüllkleid, was gut zu sehen war, sie aber nicht weiter störte. Als sie sich breitbeinig auf einen Sessel setzte und ungeniert ihre Scham zeigte, schoss Katharina entzückt noch mehr Fotos. »Super«, murmelte sie. »Man kann dir bis in die Gebärmutter gucken. Super. Balthus ist Dreck dagegen.«
Genüsslich spreizte Marlene die Schenkel noch ein bisschen mehr. »Wenn du das nicht für ein nettes Sümmchen an einen alten geilen Knaben loswirst, Katharina«, kicherte sie, »dann weiß ich auch nicht, was an Kunst noch geht.« Sie nahm einen Schluck Champagner, den echten französischen, keinen Prosecco, und zerrte so lange am Oberteil ihres Kleides, bis eine Naht endgültig riss und ihre Brüste freilegte. Ihr Versuch, sie wieder in die Stofffetzen zurückzustopfen, misslang.
»Lass«, sagte Katharina, zog ihr die Hand weg und schoss schnell noch ein Foto. Sie benutzte eine altmodische Polaroidkamera und musste immer ein paar Sekunden warten, bis der Apparat das Bild ausspuckte und sie die Lasche wegziehen und das Ergebnis kontrollieren konnte. Ruhig und konzentriert, mit den eleganten Bewegungen einer Wildkatze, die eine Beute umkreist, nahm sie Marlene ins Visier. In ihrem Glas perlte der Champagner unberührt vor sich hin.
Marlene rekelte sich vollkommen sorglos unter Katharinas Blicken, betrunken am Nachmittag. »Oh«, rief sie. »Katharina hast du nicht einen Kerl im Wandschrank deponiert? Ich könnte einen gebrauchen. Ich fühle mich wie in einer Peepshow.Schade, dass nur ihr zwei da seid und nicht ein Kreis Lüstlinge, die sich einen abwichsen bei meinem Anblick.« Sie nahm die Flasche und schüttete ihr Glas wieder voll, ging quer durch den Raum, nahm ihre Tasche und kramte darin herum. Lautlos verfolgt von Katharina mit der Polaroid. »Mein Kleeblatt muss her«, verkündete Marlene mit dem Handy am Ohr.
Katharina setzte die Kamera ab. Sie wirkte erhitzt, fast fiebrig, mit roten Wangen. Was vielleicht an der aufgeheizten Atmosphäre im Raum lag, aber vielleicht auch mit ihrer Krankheit zu tun hatte. Stella fühlte sich ihr nicht nahe genug, um sie zu mahnen, sich nicht zu überanstrengen, stattdessen fragte sie, ob sie den Computer benutzen dürfe, um ihre E-Mails zu checken. Ohne den Blick vom Sucher ihrer Kamera zu lösen, wies Katharina mit einer Hand nach oben. »Im ersten Stock. Bedien dich.«
Der Laptop stand im Stand-by-Modus noch dort, wo Stella ihn zuletzt gesehen hatte. Sie aktivierte ihn mit der Maus und eine Slideshow mit Katharinas Gemälden schaltete sich ein. Darunter auch die zarten, von Renaissancemalern inspirierten Figuren, die sie schon beim ersten Besuch gesehen hatte. Das glatzköpfige Selbstporträt mit dem blutigen Verband und Karl und Jochen mit den modernen Gewehren. Auch ein Porträt der Contessa gab es, in Reithosen, Stiefeln und rotem Jackett, schlanker als in Wirklichkeit. Drei Windhunde drängten sich um ihre Waden. Eine Reitpeitsche lässig in ihrer rechten Hand. Die anderen Personen kannte Stella nicht. Nur noch Valerie. Das Porträt, das bei ihrem ersten Rundgang im Haus unten auf der Staffelei gestanden hatte. Valeries Kopf, bildfüllend, mit merkwürdig ausdruckslosen Augen hinter der Sonnenbrille. So nah auf dem Computer konnte Stella jedes Detail erkennen und registrierte erst jetzt den winzigen Blutstropfen, der aus Valeries rechtem Mundwinkel sickerte. Unauffällig, als sei es ein Rest Lippenstift, und schlagartig wurde ihr klar, dass dies ein Porträt von Valerie als Toter war. Ganz sicher entstanden, als Valerie noch lebte. Ei-Tempera war eine langsame Technik, die vielZeit und Geduld erforderte. Schwierig, damit in den acht Tagen seit Valeries Tod ein fast fertiges Gemälde zu produzieren. Von unten schreckte Marlenes Lachen sie auf und erinnerte daran, warum sie hier war.
Ein paar Stichwörter später hatte sie herausgefunden, dass zwar kein Name in der Geschäftsleitung der Feinkostfirma »Dolce&Sauer« in Düsseldorf ihr irgendwie bekannt vorkam, dass aber der
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