Es sterben immer drei
international anerkannte Architekturprofessor Karl Kleemann nicht nur das neue Firmengebäude des expandierenden Unternehmens entworfen hatte, sondern auch für das gesamte Corporate Design von »Dolce&Sauer« zuständig war, bis hin zur Innenausstattung der geplanten, firmeneigenen Ladenkette in Deutschland und Italien. Sie fand sogar ein Foto von Kleemann beim Stehempfang anlässlich der Eröffnung der Unternehmenszentrale. An seiner rechten Seite lächelte Marlene, an der linken die Contessa, in der zweiten Reihe, halb verdeckt von der Contessa, warfen sich ihr Ehemann und der alte Cavallo gravitätisch in Pose. Laut Bildunterschrift die Eigentümer des renommierten italienischen Olivenölproduzenten Colle dei Cavalli. Das sah nach Geschäften unter alten Freunden aus, nach internationalem Netzwerk, war aber deshalb nicht illegal. Auch nicht, wenn ein Anteil aus den Olivenölmillionen als Honorar in Kleemanns Richtung geflossen war. Sollte Luis seine Schlüsse aus den Zusammenhängen ziehen, sie konnte darin nichts Auffälliges erkennen. Sie widerstand der Versuchung, die günstige Gelegenheit zu nutzen, und noch etwas mehr auf Katharinas Festplatte herumzuforschen. Sicherlich gab es darin auch andere interessante Fundsachen, aber ihre Computerkenntnisse reichten nicht aus, um ihre Spuren wieder verschwinden zu lassen. Immerhin, ihren Besuch bei Dolce&Sauer oberflächlich zu vertuschen, das schaffte sie noch.
Sie löschte die Einträge in der Chronik und als sich die Tür zum Zimmer leise öffnete, hatte sie schon ihre E-Mails aufgerufen und enttäuscht festgestellt, dass zuhause niemand sievermisste. »Na, gibt’s was Neues?«, fragte Katharina von der Tür her.
»Nein, nur eine Redaktion, die will, dass ich meinen Text kürze, weil sie nun doch weniger Platz haben, als sie dachten. Kürzen könnten sie natürlich selber, aber das macht ja Arbeit.« Sie stand auf. »Bin schon fertig.«
»Karl kommt gleich«, sagte Katharina und bot ihr an, eine Pasta mitzuessen. Stella nahm an. Seit sie in Italien war, gab es jeden Tag Nudeln. Nicht, dass sie etwas dagegen gehabt hätte, sie mochte Pasta in allen Variationen, aber noch verlockender war die Möglichkeit, Kleemann live zu erleben. In ihrem Psychogramm der Pornelloeigner blieb er das größte Rätsel. Da musste jede Möglichkeit genutzt werden, Eindrücke von ihm zu sammeln. Um Katharina für ihre Hilfsbereitschaft bei den Recherchen zu belohnen, nutzte sie den ältesten Trick der Menschheit, sich Freunde zu machen. »Das ist wirklich ein sehr schönes Porträt von Valerie.« Sie zeigte auf den Bildschirm, auf dem sich wieder die Slideshow eingeschaltet hatte. »So sensibel.« Sie machte eine nachdenkliche Pause. »Ich frage mich nur, warum du sie als Tote gemalt hast.«
»Ja, merkwürdig, nicht wahr?« Katharina blieb absolut gelassen. »Als ob ich etwas geahnt hätte.« Sie ging zur Treppe und drehte sich an der Tür noch einmal um. »Du bist übrigens die Erste, der es aufgefallen ist.«
»Was?«
»Dass sie auf dem Bild schon tot ist. Genau so habe ich es geträumt. Sie stand vor mir und starrte mich aus toten Augen an. So tot, dass ich es hinter der Sonnenbrille sehr gut erkennen konnte. Ansonsten war sie nackt und völlig unversehrt. Ihre Todesart habe ich also nicht geträumt. Solche genauen prophetischen Kräfte habe ich dann doch nicht. Obwohl sie eindeutig als Leiche in meinem Traum herumschwebte, winkte sie mir zu und raunte, es war wirklich ein Raunen, wie der Wind in den Ästen eines Sommerbaumes. Sie raunte Bis bald und schwebtedavon. Zwei Tage später haben sie den Krebs bei mir entdeckt und ein paar Monate später war sie tot.«
»Hast du ihr den Traum erzählt?«
»Natürlich nicht. Ich wollte sie nicht ängstigen. Ich habe sie aber gefragt, ob ich sie malen darf. Wir hatten in den letzten Wochen eine enge Arbeitsbeziehung. Sie war oft hier, ließ sich fotografieren und skizzieren. Währenddessen hat sie mir viel erzählt. Sie war hungrig nach Leben. Sie freute sich auf ihre Babys. Sie war voller Pläne. Und trotzdem habe ich sie immer mit diesen leblosen Augen und dem Blutstropfen gesehen. Ich konnte das nicht abschütteln. Merkwürdig.«
»Hat sie dir eigentlich verraten, von wem sie schwanger ist?«
»Selbstverständlich. Das war kein Geheimnis.«
»Und wer ist nun der Vater?«
Stella sah von ihrem Platz am Computer den roten Alfa die Straße herunterkommen und in die Einfahrt einbiegen. Sie erkannte den Mann am Steuer an seinem
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