Es sterben immer drei
Irma ihm hinstellte, einen verschlossenen Schrank in der Abstellkammer, sein »Geheimdepot«, und holte eine andere Flasche heraus. Als sie zu dritt auf der Terrasse saßen, stellte Stella fest, dass sie sich freute. Er ließ sich alles, was bisher passiert war, erzählen, und holte wie ein erfahrener Psychotherapeut auch die Informationen aus Stella heraus, die sie ihm lieber verschwiegen hätte. Ihre Affäre mit Luca. »Muss ja ein toller Hecht sein«, sagte er.
»Er ist ausgesprochen hübsch«, bestätigte Irma.
»Das erklärt natürlich alles.« Otto mochte Irma sogar jetzt noch, da er sie endlich persönlich kennengelernt hatte. Irma fragte ihn, woher er die Pornello-Clique kenne.
»Na ja, wie man sich eben so kennt als benachbarte Ferienhausbesitzer. Da wir alle aus München kommen und Jochen auch noch in derselben Branche arbeitet wie ich, ergab sich genug Gesprächsstoff für einen gemeinsamen Abend hin und wieder.«
»Hast du eine Ahnung, wie es um die Finanzen der Besitzer, zum Beispiel von Jochen, steht?«, brachte Stella ein Thema auf, von dem sie wusste, dass es Otto nachhaltig interessierte.
Otto stieß einen leisen Pfiff aus, so in der Art wie ein amerikanischer Bauarbeiter, wenn er einer Frau hinterherpfeift. »Gute Frage, Schätzchen, aber nicht einfach zu beantworten. Jochen ist ein großes Tier, Vorstandsvorsitzender mit dem ganzen Kram, der dazugehört. Dienstwagen, Spesenkonto, Boni, Aktienoptionen. Angeblich steht sein Laden aber bei weitem nicht so gut da, wie er nach außen hin behauptet. Er sucht dringend einen Investor, sonst geht das Ganze baden. Aber welcher Investor will in der Medienkrise damit sein Vermögen verbrennen? Und selbst wenn sich einer trauen würde, kann ich mir nicht vorstellen, dass Jochen seinen Job behält. Zu selbstherrlich, heißt es, beratungsresistent und leider ohne Fortune im Umgang mit seinen Mitarbeitern. Ein guter Zahlenmensch zwar, auch durchsetzungsfähig, aber davon gibt es viele heutzutage. In Krisenzeitenbraucht man Leute, die ihre Belegschaften in Schach halten können. Sparappelle nutzen nichts, wenn das Personal beleidigt darauf reagiert. Jochen ist menschlich, na sagen wir mal, unterdurchschnittlich talentiert. Außerdem: Warum sollte ein Aufsichtsrat jemanden stützen, der die ganze Chose in den Abgrund gefahren hat. Nein, ich denke, dem geht im Moment der Arsch auf Grundeis.«
Stella fragte sich zwar, seit wann Selbstherrlichkeit bei einem Manager als Charakterschwäche galt, dann müsste der ganze Berufsstand geschlossen zur Psychoanalyse antreten, aber das war kein Thema, das man mit Otto diskutieren konnte. Er fiel ja selbst in die Kategorie. Allerdings durchaus mit Fähigkeiten im zwischenmenschlichen Bereich. Sie konzentrierte sich auf den pekuniären Aspekt von Jochens Leben.
»Hat er nicht längst genug Vermögen angehäuft, um sich aufs Altenteil zurückzuziehen?«
»Glaubst du wirklich, jemand wie Jochen begnügt sich damit, sich mit Mitte 50 aufs Altenteil zu setzen? Der kämpft, bis er tot umfällt. Der spürt doch sonst nicht, dass er lebt. Außerdem kann ich mir vorstellen, dass er einen schönen Teil seines Geldhaufens in Derivate und Zertifikate, in hochriskante Papiere jeder Art angelegt hat, die jetzt futsch sind. Schrott. Er ist einer von denen, die den Hals nie voll kriegen. Wahrscheinlich hat er sich in letzter Zeit ziemlich daran verschluckt.« Otto nahm einen großen Schluck aus seinem Rotweinglas und musste husten.
Stella klopfte ihm auf den Rücken.
»Nicht dass ich Mitleid mit ihm hätte, Gott bewahre.« Otto hatte Tränen in den Augen vom Husten. »Er kriegt jetzt die Quittung. Wie wir alle.«
»Hast du denn auch Geld verloren?«
»Jochen und ich haben denselben Vermögensverwalter. Hat sich viel getraut, der Mann. Ich habe zwar nicht jede seiner Wahnsinnsideen gut gefunden, aber manche schon.«
»Also hast du, oder hast du nicht?«
Er seufzte. »Natürlich habe ich. Und mehr als ich mir leisten kann. Ähnlich wird es Jochen gehen. Muss unbedingt mal mit ihm drüber reden. Er hat mir den Vermögensberater schließlich empfohlen.«
Diese Männerklüngel mit ihrer Gschaftlhuberei. Jedes Mal, wenn Stella auch nur ansatzweise mitbekam, wer mit wem Geschäfte machte und wo es überall Querverbindungen gab, staunte sie. Die Frauen, die sie kannte, zahlten höchstens in Lebensversicherungen ein und kauften eventuell noch eine Zweizimmerwohnung fürs Alter, aber sie kannte keine, die sich einen Vermögensverwalter
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