Es sterben immer drei
angeschmuddelten Strohhut. Ungeachtet der Tatsache, dass erst kürzlich die Mutter seiner Zwillinge das Zeitliche hatte segnen müssen, beeilte Kleemann sich, der erotisch aufgeladenen Marlene Beistand zu leisten, die zu lauter Musik unten im Atelier herumtanzte. Katharina ging, ihn zu begrüßen.
»Wer war es denn deiner Information nach nun wirklich?« Diese eine Frage wollte Stella noch unbedingt beantwortet haben und lief Katharina nach.
Die ging schon die Treppe hinunter. Ohne sich umzudrehen rief sie: »Jochen natürlich« und verschwand um die Ecke.
Im Atelier dröhnte Jim Morrison bedeutungsschwanger This is the End . Aber niemandem schien das Angst einzujagen. Katharina hackte Zwiebeln an der Küchenzeile und Karl tanzte eng umschlungen mit Marlene, die immer noch ihr Prinzessinnenkleid trug. Sie küssten sich so intensiv, dass Stella sich fragte, wie lange es noch dauern würde, bis sie Zeugin eines Beischlafswürde. Katharina schlug ihr Angebot, beim Kochen zu helfen, aus, also deckte sie aus einem Sammelsurium an Flohmarktgeschirr den Tisch. Da nichts wirklich zueinander passte, wurde ihr gestalterischer Ehrgeiz geweckt. Sie suchte in den Stapeln alter Teller mit Blümchenmuster farblich passende aus und kombinierte sie hingebungsvoll. Blaue Muster zu blauen, rote zu roten und grüne zu grünen. Schön harmonisch Ton in Ton, gemäß ihren Frauenzeitschriftentipps.
Katharina erkannte ihre Bemühungen. »Hübsch«, sagte sie anerkennend und nur eine Spur spöttisch, schließlich bewies sie bei ihren Wallegewändern ebenfalls einen Sinn für subtile Farbzusammenstellungen. Während Stella Besteck auflegte und Servietten faltete, stellte sie fest, dass sie erleichtert war. Erleichtert, dass Luca im Rennen um die Vaterschaft der Zwillinge zumindest auf den dritten Rang verwiesen worden war. Am liebsten hätte sie ihn angerufen und beruhigt. Allerdings konnte sie, trotz Katharinas Auskunft, nicht hundertprozentig an Jochen als Vater der Zwillinge glauben. Irgendetwas in ihr sperrte sich dagegen. Jochen als Vater war die langweiligste Variante von allen. Aber warum sollte Valerie Katharina angelogen haben? Oder warum sollte Katharina lügen? Warum allerdings hatte Katharina auf dem Fest, in Gegenwart von allen anderen, Jochens Vaterschaft bezweifelt, um sie jetzt doch zu bestätigen? Aus Bosheit, genährt von Eifersucht? Oder gab es einen anderen Grund? Und was zum Teufel trieb Kleemann dazu, eine Vaterschaft zu beanspruchen, die ihm nichts mehr nutzte, während er gleichzeitig unverhohlen seiner jungen Geliebten nachgierte? Das alles ergab immer weniger Sinn.
Du und deine Intuition, hätte Luis jetzt gewitzelt.
Karl und Marlene hatten sich ins obere Stockwerk verzogen, offensichtlich doch nicht so wild auf Spanner, wie es anfangs aussah. Als die Spaghetti mit Zucchini gar waren, rief Katharina »Essen ist fertig«, und tatsächlich, ein paar Minuten später kamen die beiden wieder brav nach unten. Ein Quickie kann auchwas Schönes sein, dachte Stella und fragte sich, welchen Raum die beiden dafür gewählt hatten. Das Gästezimmer, das Bad oder doch Katharinas kuscheliges Schlafzimmer?
»Hab ich jetzt einen Hunger!« Marlene setzte sich vor das rot geblümte Geschirr. Sie hatte das Kleidchen gegen Shorts und T-Shirt getauscht, was ihren Körper nicht wesentlich mehr verhüllte. An Karls verknautschtem Leinenanzug waren keinerlei Spuren des gerade erst vollzogenen Geschlechtsverkehrs zu erkennen. Er sah immer aus, als käme er gerade aus dem Bett.
»Na, war’s schön?«, fragte Katharina, während sie mit Grandezza Nudeln auf den Tellern verteilte. Marlene kicherte über die indiskrete Frage, Karl ignorierte sie. Er öffnete den Wein. Stella beobachtete Katharina. Sie schien völlig unberührt davon, dass ihr Ex-Ehemann mit seiner 30 Jahre jüngeren Freundin in ihrer Anwesenheit in ihrem Bett Sex hatte. Waren Ex-Ehefrauen bei ihren Ex-Ehemännern prinzipiell nicht mehr eifersüchtig, oder zeigte Katharina eine ungewöhnliche Charakterstärke und Toleranz? Völlig ruhig drehte Katharina Spaghetti auf die Gabel.
Das Beziehungsgeflecht dieser Gruppe von alten Freunden stellte Stella vor ein Rätsel. Die Hauptpersonen kannten sich schon über dreißig Jahre. Sie kreisten umeinander wie Planeten in einem eigenen Sonnensystem, manchmal blitzte von außen ein Stern in Gestalt einer jungen Frau auf und verglühte wieder. Auch Marlene würde nicht so dumm sein und bei Karl bleiben, mit der Absicht ihn
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