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Es stirbt in mir

Es stirbt in mir

Titel: Es stirbt in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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gesehen, irgendwie aber waren sie ihm nicht weniger vertraut wie die Karten, mit denen seine Eltern ununterbrochen Canasta spielten. »Sie wurden vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren von Dr. Karl E. Zener und Dr. J. B. Rhine an der Duke University entwickelt. Eine andere Bezeichnung für sie lautet ›ESP-Karten‹. Wer kann mir sagen, was ESP ist?«
    Norman Heimlichs dicke Patschhand flog in die Luft. »Extrasensory Perception, außersinnliche Wahrnehmung, Miß Mueller!«
    »Sehr gut, Norman.« Geistesabwesend begann sie die Karten zu mischen. In ihren Augen, normalerweise ausdruckslos, brannte glühende Las-Vegas-Begeisterung. »Dieses Spiel besteht aus fünfundzwanzig Karten, die in je fünf ›Serien‹ oder Symbole eingeteilt sind«, erklärte sie. »Fünf Karten tragen einen Stern, fünf einen Kreis, fünf ein Quadrat, fünf Wellenlinien und fünf ein Kreuz oder Pluszeichen. Davon abgesehen, sehen sie aus wie ganz gewöhnliche Spielkarten.« Sie reichte das Spiel Barbara Stein, auch eine ihrer Lieblingsschülerinnen, und bat sie, die fünf Symbole an die Wandtafel zu malen. »Es geht nun darum, daß die Versuchsperson sich eine zugedeckte Karte nach der anderen ansieht und versucht, das Symbol auf der anderen Seite zu erraten. Es gibt viele verschiedene Durchführungsmethoden für diesen Test. So kann der Fragende zum Beispiel zuerst einen kurzen Blick auf jede Karte werfen; das gibt der Versuchsperson die Möglichkeit, die richtige Antwort in den Gedanken des Fragenden zu lesen – falls sie das kann. Zuweilen darf die Versuchsperson die Karte berühren, bevor sie rät. Gelegentlich werden ihr die Augen verbunden, manchmal wiederum darf sie die Kartenrücken fixieren. Ganz gleich jedoch, wie es gemacht wird – das Ziel ist und bleibt immer dasselbe: Die Versuchsperson soll mit Hilfe außersinnlicher Fähigkeiten das Zeichen auf einer Karte bestimmen, die sie nicht sehen kann. Estelle, wenn die Versuchsperson keine außersinnlichen Fähigkeiten besitzt, sondern sich einzig aufs Raten verlassen muß – wieviele Treffer könnten wir dann bei diesen fünfundzwanzig Karten erwarten?«
    Estelle, nicht auf die Frage vorbereitet, errötete und platzte heraus: »Äh - zwölfeinhalb?«
    Säuerliches Lächeln von Miß Mueller, die sich nunmehr dem intelligenteren, glücklicheren Zwilling zuwandte: »Beverly?«
    »Fünf, Miß Mueller?«
    »Richtig. Man hat immer die Chance, von fünf Karten eine richtig zu erraten, somit kann man mit etwas Glück bei fünfundzwanzig Karten auf fünf Richtige kommen. So klar sind die Ergebnisse allerdings nie. Bei einer Runde durchs ganze Spiel hat man vielleicht vier Richtige, bei der nächsten sechs, dann fünf, dann vielleicht sieben und dann möglicherweise nur drei – der Durchschnitt sollte bei einer langen Versuchsreihe jedoch immer ungefähr fünf betragen. Das heißt, falls nur der Zufall mit im Spiel ist. Bei den Rhine-Experimenten haben jedoch einige Gruppen von Versuchspersonen über viele Runden hinweg sechseinhalb oder sogar sieben Richtige aus fünfundzwanzig erreicht. Rhine glaubt nun, daß diese überdurchschnittliche Trefferzahl nur mit ESP erklärt werden kann. Und ein paar Versuchspersonen haben sogar noch weit bessere Ergebnisse erzielt. Ein Mann hat einmal zwei Tage hintereinander neun Karten richtig erraten. Wenige Tage später hatte er fünfzehn Richtige hintereinander und insgesamt einundzwanzig von fünfundzwanzig möglichen. Das sind geradezu fantastische Ergebnisse. Wer von euch glaubt, daß es nur Zufall gewesen ist?«
    Ungefähr ein Drittel der Klasse meldete sich. Einige von ihnen gehörten zu den Dummköpfen, denen es einfach nicht ins Hirn ging, daß man für die Lieblingsthemen der Lehrer Interesse beweisen muß. Andere gehörten zu den unverbesserlichen Skeptikern, die derartige Manipulationen für unter ihrer Würde hielten. Eine der erhobenen Hände gehörte David Selig. Er versuchte lediglich, Tarnfarbe anzulegen.
    »Heute wollen wir einmal solche Tests durchführen«, sagte Miß Mueller. »Victor, möchtest du unser erstes Versuchskaninchen sein? Komm bitte nach vorn.«
    Victor Schlitz trottete nervös grinsend nach vorn. Steif stand er an Miß Muellers Pult, während sie die Karten sorgfältig mischte. Sie warf einen kurzen Blick auf die oberste Karte und schob sie ihm mit dem Rücken nach oben hin. »Welches Symbol?« fragte sie ihn.
    »Kreis?«
    »Wir werden sehen. – Den Mund halten!« rief sie, gab die Karte an Barbara Stein weiter und befahl

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