Es tut sich was im Paradies
weit weniger unheimlichen Gestalt zu tun hatte. Dies war ein Mann. Möglicherweise einer von den finsteren Gesellen, die sie in der Schankstube des Hotels gesehen hatte, aber immerhin, mit einem Mann wußte sie fertig zu werden, dachte sie naiv — mit Kühen war das etwas ganz anderes.
Der junge Mann, der im Strahl der Taschenlampe geblendet mit den Augen zwinkerte, war offenbar zornentbrannt, aber betrunken bestimmt nicht, und er sah auch anständig aus, stellte Pippa mit sachkundigem Blick fest.
»Dreh die verflixte Funzel aus«, knurrte er, sich vor dem grellen Lichtschein mit einer Grimasse abwendend. »Ich hoffe, du kommst jetzt endlich zur Vernunft. Wir fahren sofort nach Hause«, damit riß er die Tür auf und machte Anstalten, hinter das Lenkrad zu klettern.
Pippa entgegnete gefaßt und betont kühl: »Wir denken nicht daran. Sie fahren überhaupt nirgendwohin in meinem Wagen. Außerdem ist ein Reifen kaputt.«
Trotz der Dunkelheit merkte sie, daß ihre Worte eine sensationelle Wirkung ausübten, sie hörte ihn verblüfft nach Luft schnappen und murmeln: »Was, zum Kuckuck...?« Das Deckenlicht wollte sie absichtlich nicht einschalten, zerzaust wie sie war und ohne Make-up, aber er rumorte so lange herum, bis er den Knipser fand. Dann drehte er sich um und starrte sie fassungslos an. Im nächsten Moment zwängte er sich mit verlegen gestotterten Entschuldigungen rückwärts wieder aus dem Wagen hinaus. Pippa machte sofort das Licht wieder aus, hielt aber die Taschenlampe unverwandt auf ihn gerichtet.
»Oh, Verzeihung. Tut mir entsetzlich leid... Dachte, Sie seien — Sie seien jemand anders. Sicher haben Sie einen furchtbaren Schreck gekriegt.«
»Bei Ihnen war’s lange nicht so schlimm wie bei der Kuh«, antwortete Pipa. »Aber was wollten Sie eigentlich?«
»Ach — ich suchte jemanden. In genau so einem Wagen wie diesem hier — wenigstens sah er im Dunkeln so aus. Ich hätte nie gedacht, daß es ein anderer sein könnte. Hier kommt nämlich nachts nie ein Mensch entlang, und ich war sicher, daß sie irgendwo steckenbleiben würde, weil sie so miserabel fährt. Tut mir wirklich furchtbar leid.«
»Schon gut. Ja, die Straße ist wie verödet. Ich habe seit sechs Uhr nur einen einzigen Wagen vorbeikommen sehen.«
»Wann war das?« fragte er schnell.
»Kurz nach zehn. Beinah hätte ich ihn aufgehalten, aber er karriolte so komisch hin und her.«
»Im Zickzack von einem Graben zum anderen?«
Als Pippa es bestätigte, meinte er im Brustton der Überzeugung: »Klar, das ist Kitty. Ich muß sofort hinter ihr her. Wer weiß, in welcher Patsche sie wieder gelandet ist.«
Pippa spähte suchend hinaus. »Aber wie sind Sie denn hergekommen? Ich habe gar keinen Wagen gehört.«
»Nicht mit dem Wagen, den hat ja sie. Ich fuhr mit dem Rad hinterher.«
»Mit dem Rad?« In ihr Erstaunen mischte sich freudige Erleichterung. Und sie hatte geglaubt, in der Wildnis zu sein. Ein Fahrrad, das klang doch beruhigend brav und bürgerlich. »Dann sind Sie wohl hier in der Gegend ansässig?«
»Ungefähr fünf Kilometer entfernt, und der Weg geht ganz eben an der Küste entlang, aber mir kam es wie zehn vor. Ich bin seit Jahren nicht mehr mit dem Rad gefahren, und da, hinter der Biegung, als ich in ein Schlagloch geriet, ist es vollständig unter mir zusammengekracht. Na, da gibt’s nichts als zu Fuß weitertippeln. Also entschuldigen Sie die Störung... Sie kampieren wohl im Freien, was?«
Nicht daß es ihn tatsächlich interessierte, er wollte nur das Gespräch nicht abreißen lassen.
Sie antwortete: »Ich habe eine Reifenpanne, deshalb mußte ich anhalten. Schade, sonst hätten Sie meinen Wagen nehmen können.«
Da! Warum hatte sie das jetzt gesagt? Was wußte sie überhaupt von diesem jungen Mann? Und er griff natürlich prompt zu.
»Oh, das ist aber riesig nett von Ihnen. Und um das Loch machen Sie sich nur weiter keine Sorgen, den Reifen wechsle ich Ihnen im Handumdrehen aus, wenn Sie mir leuchten können. Darin bin ich wahrer Hexenmeister.«
Der zweite Hexenmeister heute, konstatierte Pippa. Er zerrte schon an der Klappe des Werkzeugkastens, und sie sprang hinaus, um ihm die Taschenlampe zu halten.
»Fein, hier ist schon der Ersatzreifen. Und Luft ist auch massenhaft drin. Sie, zum Beispiel, hat keine Ahnung, daß Schläuche überhaupt aufgepumpt werden müssen.«
Pippa genausowenig, aber James hatte dafür gesorgt. Sie nahm das indirekte Lob geschmeichelt hin und hielt die Schrauben, während er mit
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