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Es tut sich was im Paradies

Es tut sich was im Paradies

Titel: Es tut sich was im Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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glitten sanft wieder zurück. Sie schwamm langsam, dachte an Pam und frühere Weihnachtsfeste und wurde plötzlich von einem Gefühl trostloser Einsamkeit ergriffen. Gewiß, die Leute hier waren nett, aber im Grunde doch alle fremd für sie. Wenn sie morgen wieder wegginge, würde keiner sie ernstlich vermissen. Ja, wer machte sich überhaupt, außer Pam, etwas aus ihr? James? Sie wußte, wie er seine Feiertage zu verleben pflegte, in einem Kreis gleichgesinnter Junggesellen, die sich jedes Jahr eine Luxusjacht heuerten und zum Segeln und Fischen fuhren. Möglich, daß er heute irgendwann einmal flüchtig an sie dachte, froh, sich ihrer richtigen Strumpfgröße erinnert zu haben, um sie bald wieder aus seinem Gedächtnis zu streichen.
    Sie begann sich schrecklich leid zu tun. Hier war sie nun, allein, ohne Verwandte, getrennt von allen, mit denen sie in ihrer Jugend befreundet gewesen war und — das fügte sie aber nicht hinzu — die sie selbst in den meisten Fällen aus falschem Stolz fallengelassen hatte, als sich damals in ihrem Leben die Schwierigkeiten einstellten. Trübsinnig watete sie zum Strand zurück, der letzte Funken guter Laune hatte sie verlassen, und elegisch sagte sie sich, daß ihr niemand eine Träne nachgeweint hätte, wenn sie jetzt ertrunken wäre.
    Pippa war nicht für Halbheiten. Was sie tat, tat sie ganz. Nachdem sie sich einmal so weit in Selbstmitleid vergraben hatte, kostete sie diese Stimmung auch bis zum letzten aus. Sie fühlte sich zu erbärmlich, um sich anzuziehen. Der Tag lag noch endlos vor ihr, sie würde ihn mit lauter fremden Menschen verbringen müssen, die von ihr erwarteten, daß sie lustig und guter Dinge war, dafür wollte sie jetzt einfach im Sand liegenbleiben und so traurig sein, wie sie nur konnte. Sie wußte genau, wie es bei den Moores sein würde. Kitty und Alec würden sich wieder schamlos anhimmeln und sie spüren lassen; daß sie eine unerwünschte alte Jungfer war, oder sich ebenso schamlos und mit erschreckender Unbeherrschtheit in die Haare geraten, weil man ja auf sie keine Rücksicht zu nehmen brauchte. War sie nicht wirklich nur eine >Tante< für sie, vor der man es nicht nötig hatte, Hemmungen zu haben? Zu schade, daß sie so wenig Erziehung hatten. Immerhin, es mußte schön sein, jemanden zu haben, der sich um einen kümmerte und sorgte, wie Alec um Kitty.
    An diesem Punkt fühlte sie mit dankbarer Genugtuung eine dicke Träne an ihrer Nase herabkullern. Tränen am Weihnachtstag... das hatte etwas tief Tragisches. Am liebsten hätte sie jetzt richtig geweint, aber dazu brauchte sie ein Taschentuch. Gewissenhaft stand sie auf und ging zum Wagen, um sich mit dem erforderlichen Requisit für ihre Kummerorgie zu versehen.
    Als sie die Tür öffnen wollte, sprang Mohr plötzlich mit einem Satz dagegen und sauste wie der Blitz an ihr vorbei und davon. Das brachte das Maß zum Überlaufen. Mit lauter Stimme rief sie: »So, nun ist er weg! Aber ich kann’s auch nicht ändern. Ich habe getan, was ich konnte, aber ich bin ihm einfach egal. Ach, niemand mag mich, nicht mal ein Hund!«
    Hier kippte ihre Stimme in einen jämmerlichen Wehlaut um, sie warf sich in den Sand und ließ ihren Tränen freien Lauf.
    Und da geschah das Wunder. Plötzlich spürte sie eine nasse Nase an ihrem Gesicht, an ihren Händen und Ohren. Sie schreckte aus ihrem Kummer hoch, hob den Kopf und sah den tolpatschigen schwarzen Hund über sich, der sie in einem wilden Überschwang von Angst und Zuneigung, völlig außer sich beim Anblick ihrer Tränen, fast zu ersticken drohte. Sie schlang die Arme um seinen Nacken, und er jaulte vor Freude.
    »Aber Mohr«, flüsterte sie. »Mohr... Wirst du mich denn wirklich ein bißchen gern haben können?«
    Seine stürmische Antwort ließ sie beinah rückwärts wieder in den Sand fallen. Mohr kannte eben genausowenig Beherrschung wie Alec und Kitty. Von nun an gehörte er ihr, versicherte er mit lautem Bellen, ihr mit Haut und Haaren und bis ans Ende der Tage. Er könne nicht länger trauern. Der andere Mensch, an dem sein Herz hinge, habe ihn verlassen, jetzt gäbe es nur noch Pippa, und sie wollten sich nie mehr trennen.
    Im Nu war aller Kummer vergessen, sie sprang in die Höhe, lachte und klatschte ausgelassen in die Hände. »Liebling, dir ist wohl Weihnachten zu Kopf gestiegen? Ja, du bist das schönste Geschenk, das ich mir nur wünschen konnte. Komm, jetzt schwimmen wir um die Wette!«
    Das war es, wonach er sich gesehnt hatte.

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