Es tut sich was im Paradies
es droht wirklich keine Gefahr. Ich bin nicht so schön wie Jane oder so hübsch wie Margaret, nicht einmal wie Kitty. Mich wird kein Mann belästigen.«
Der Gedanke hatte etwas Trostloses, aber Mohr stand auf, legte seinen Kopf auf ihr Knie und versicherte ihr, daß sie für ihn das vollendetste Geschöpf der Welt sei, und Pippa war getröstet. Schließlich hatte sie sich vorgenommen, auf das Leben anderer einzuwirken; daß in ihrem eigenen nichts geschah, durfte sie nicht kümmern.
8
Die erste Woche im Januar war für Pippa besonders aufregend, denn sie brachte ihr mehrere lang erwartete Lieferungen neuer Bücher, die ihr allerdings von den ersten Kunden, die die Bibliothek betraten, sofort wieder aus den Händen gerissen wurden. Ganz gleich, zu welcher Kategorie sie gehörten oder wovon sie handelten, Hauptsache, sie waren eben erst erschienen. Wenn es nur moderne, psychologische Romane waren, so griffen die Abonnenten, die sonst ausschließlich Kriminalschmöker konsumierten, trotzdem gierig zu, obwohl Pippa ihnen abriet. Die unermüdliche Leserin sentimentaler Gartenlaubengeschichten trug im Triumph eine politische Biographie nach Hause, wenn es das einzige war, was sie noch erwischen konnte, brüstete sich stolz mit dem neuen Buch und brachte es drei Tage später verstohlen wieder an. Aber das alles überraschte Pippa jetzt nicht mehr, denn sie hatte im Lauf der Zeit genug Gelegenheit gehabt, die menschliche Natur aus der Perspektive einer Leihbüchereibesitzerin zu studieren.
In der zweiten Hälfte des Monats begann das Leben in Rangimarie ruhiger zu werden. Die Fremdenpensionen und Bungalows waren zwar noch besetzt und würden es auch noch bis Anfang Februar bleiben, aber die meisten Männer kehrten in ihre Geschäfte und Büros zurück. Das bedeutete weniger geselliges Treiben und demzufolge mehr Zeit zum Lesen, so daß für Pippa die günstige Geschäftskurve weiter anhielt. Sie hatte James’ Rat befolgt und ihre Einnahmen gewissenhaft in ein Kontobuch geschrieben, das er ihr geschenkt hatte. Jetzt beim Überprüfen stellte sie fest, daß sie es auch nach der Abreise der besonders leseeifrigen Badegäste immer noch wagen durfte, eine begrenzte Anzahl neuer Bücher zu kaufen. Die Leihbibliothek hatte >eingeschlagen<, und ihre Stammkunden, die ansässigen Farmer und Kaufleute, würden auch in Zukunft für ihr Fortbestehen sorgen.
Die Warrens blieben ebenfalls Abonnenten. Nelson las beinah unersättlich, und sein Bruder kam mindestens einmal jede Woche. Pippa mochte Douglas gern, wegen seines weichen, oft zerquälten Aussehens. Er stand anscheinend völlig unter dem Pantoffel seines Bruders. Margaret bestätigte das, als sie einmal darüber sprachen.
»Seine eigene Schuld. Ihre Kriegsauszeichnungen beweisen doch eindeutig, wer von beiden der bessere ist.«
»Ich weiß fast gar nichts über sie. Aber sind sie nicht viel zu alt, um im Krieg gewesen zu sein?«
»Ich meine 1914-18. Sie waren damals beide noch sehr jung und begeistert und meldeten sich sofort. Alle zwei wurden Offiziere, aber man sagt, daß Nelson mit seinen Leuten nicht fertig wurde, was mir ohne weiteres einleuchtet. Douglas dagegen war sehr beliebt. Obwohl er jetzt so weich wirkt, zeichnete er sich durch besondere Tapferkeit aus, war immer im dicksten Schlamassel und wurde zweimal befördert.«
»Und der Bruder? Wo wurde er so schwer verwundet?«
»Das ist ja die Ironie des Schicksals. Er fand immer nur in der Etappe Verwendung, wo er beim Stab arbeitete und wahrscheinlich bei allen gründlich verhaßt war. Er schaffte es bis zum Hauptmann, und dann fiel eine Bombe aufs Hauptquartier und machte ihn zum Krüppel. Er kam als ruinierter und verbitterter Mann nach Hause — und am Ende des Krieges kehrte Oberst Douglas Warren heim, bedeckt mit Ehren und Auszeichnungen, und obendrein noch mit einer hübschen, englischen Frau. Das hat Nelson ihm niemals vergeben und läßt es ihn seither jeden Tag fühlen.«
»Aber warum geht Douglas denn nicht fort?«
»Das wäre nicht so leicht. Der Besitz wurde beiden vererbt, und Nelson hat den größeren Anteil. Doch das ist nicht der eigentliche Grund, der Douglas zurückhält. Er bleibt aus Mitleid, denn er bringt es nicht über sich, einen Menschen, der hilflos ist und ihn braucht, im Stich zu lassen. Abgesehen davon hat ja Nelson wirklich ein grausames Schicksal zu tragen, wie man’s auch nimmt. Aber jeder weiß, daß er Douglas und seiner Frau das Leben zur Hölle gemacht
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