Es tut sich was im Paradies
Außer den kurzen Unterbrechungen, wenn Kunden in die Bibliothek kamen, schwatzten sie den lieben langen Tag Und saßen auch noch nachts bis in die Puppen auf. Sie teilten Pippas Schlafzimmer, und nach Mitternacht fielen ihnen oft die besten Erlebnisse und Geschichten ein. Pam erfuhr in großen Zügen Näheres über die Menschen, von denen Pippa ihr schon in Briefen berichtet hatte.
»Du mußt unbedingt Jane und Schwester Price kennenlernen. Kitty und Alec natürlich auch, denn die waren meine ersten Freunde.«
»Und die Warrens und die Marvells.«
»Also ehrlich gesagt, verkehren tue ich mit den Warrens nicht, vor allen Dingen nicht mit Nelson. Den kann ich auf den Tod nicht ausstehen, besonders nachdem ich neulich hörte, wie er mich in einem Gespräch mit seinem Bruder >die dumme Gans< nannte. Douglas wird hoffentlich vorbeikommen und Margaret Marvell auch. Aber der lästige Mark kann warten.«
»Wieso lästig? Hat er dich mit zudringlichen Aufmerksamkeiten verfolgt, wie Mutter sagen sagen würde?«
»I bewahre! Ich bin nur Lückenbüßer. Er bevorzugt verheiratete Frauen, wenn sie jung und reizvoll sind. Angst vor der Verantwortung, weißt schon.«
»Aha! Ein Schürzenjäger?«
»Nein, ich will nicht ungerecht sein. Er ist nicht die Spur ernst zu nehmen, oder gar gefährlich, nur ein leichtsinniger Windhund. Aber mit Kitty, das bringt mich in Zorn.«
Und dann erfuhr Pam alles, bis in jede Einzelheit. Zwischendurch erzählte sie von ihren eigenen Erlebnissen, die bunt und abwechslungsreich waren, aber sie erwähnte sie sozusagen nur am Rande. In ihrem ausgefüllten Leben bedeutete ein Jahr wie dieses mit seinen Reisen und Abenteuern weiter nichts als eine Episode. Das Gestern war abgetan, jetzt galt ihr Interesse nur dem Heute und Morgen.
Pippa erschien sie bezaubernder und lebenssprühender als je zuvor. Gewiß, sie hatte weder die ernste Schönheit Jane Hardings noch den fraulichen Reiz Margarets, und auf manche Menschen mochte Kittys Grübchengesicht und kindliche Verspieltheit anziehender wirken, aber Pippa fand, daß keine von ihnen mit Pam zu vergleichen war. Ihr kastanienrotes Haar, ihre tiefen, braunen Augen und der durchsichtig zarte Teint ergaben zusammen mit den erstklassigen Kleidern, die sie mit lässiger Eleganz zu tragen verstand, ein so vollendetes Gesamtbild, daß sich die Leute in Rangimarie staunend umdrehten und ihr nachstarrten, wenn sie fröhlich unbekümmert die Dorfstraße entlangbummelte. Die Sommergäste konstatierten untereinander, daß die Bibliothekarin doch ein paar sehr feine Bekannte habe, die Farmerfrauen erzählten zu Hause, bei Miss Knox sei ein bildhübsches Mädchen zu Besuch, und die Folge davon war, daß jeder Mann die erste Gelegenheit benutzte, seine Bücher umzutauschen.
Sie alle mochten sie vom ersten Augenblick an gern, weil ihr Frohsinn und ihr liebenswürdiges Wesen so ungeziert und natürlich waren. Die einzige kritische Äußerung kam von Kitty.
»Ich gebe zu, daß sie sehr gut aussieht, wenn man rote Haare mag, und ihre Kleider sind wunderbar, aber ich könnte mit ihr nicht warm werden wie mit dir. Pippa. Ich finde immer, Mädchen wie sie neigen dazu, sich über andere lustig zu machen. Sie ist so schrecklich klug, nicht wahr?«
Pippa, die ganz genau wußte, daß Pam niemals in ihrem Leben durch irgendein Examen gegangen war und beinah noch weniger las als sie selbst, stimmte ohne Zögern zu, versicherte jedoch, daß Pam viel zu rücksichtsvoll sei, um über jemanden zu lachen.
Was nicht ganz der Wahrheit entsprach, denn die beiden Freundinnen bogen sich oft vor Lachen über das seltsame Gehabe der Leute in der Leihbibliothek und besonders über den geistigen Snobismus, der sogar hier seine Blüten trieb.
»Sagen Sie bei dir auch immer: >Ach, meine Liebe, ich glaube, ich werde heute zur Abwechslung mal ganz was Leichtes nehmen. Schließlich sind Ferien, und zu Hause beschäftige ich mich ohnehin nur mit ernster Literatur?<«
»Ja genau!« prustete Pippa. »Und gar nicht so sehr meinetwegen, sondern weil sie ängstlich darauf bedacht sind, bei den anderen Sommergästen Eindruck zu schinden. Jedesmal betonen sie scheinheilig, daß die Kriminalromane und kitschigen Liebesgeschichten nur für ihre Söhne oder Töchter bestimmt seien. Jetzt fange ich erst an zu verstehen, was Mr. Murdoch meinte, wenn er sagte, in bezug auf Bücher benähmen sich die Leute närrisch.«
Pam lauschte allen Erzählungen mit hingegebenem Interesse, das einen Teil ihres Charmes
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